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Louise Reuter

Hochzeit und ein "Dinner for five"


Mit klopfendem Herzen ging ich in das Trauzimmer des Standesamtes. Ich war so aufgeregt - meine Tochter Emma wollte ihren Jacov heiraten.
Neben dem Brautpaar saßen, als Trauzeugen, mein Sohn Daniel und Freund Sascha.
Ich - in schwarzen Jeans und feinem Pullover - war mit einer Zehnerpackung Tempo-Taschentücher ausgestattet, da meine Freundinnen mir versichert hatten, Emmas Hochzeit würde bei mir einen hemmungslosen Tränenausbruch auslösen und ich müsste deshalb rechtzeitig vorsorgen.
Doch die Tränen der Rührung blieben komplett aus. Die Beamtin redete sofort zügig über die Ehe an sich, im Allgemeinen und im Besonderen und präsentierte am Ende ihrer kurzen Rede feierlich ein Gedicht - "Das Versprechen". Das Vorlesen des Gedichtes löste umgehend stürmische Heiterkeit aus - der Bräutigam wollte mit der Beamtin die Verse im literarischen Sinne kritisch durchdiskutieren, die Braut fiel deshalb vor Lachen fast vom Stuhl, und auch Daniel und Sascha brachen in Gelächter aus. Das wiederum irritierte die Beamtin, die nun ihre lyrischen Warn-Hinweise in Sachen "Ehe" nicht mehr loswerden konnte - verstört und leicht ungehalten sah sie auf das unorthodoxe Hochzeitspaar - eine deutschjüdische Oboistin im geblümten Hippiekleid, Hand in Hand mit einem russischjüdischen Pianisten im blaukarierten Blazer.
Ich fotografierte währenddessen die außer Rand und Band geratenen, lauthals lachenden Hochzeitler. Da ich nicht mehr ganz so gut sehen kann, hielt ich Saschas Fotoapparat einfach ungefähr in die Richtung, in der das Hochzeitstrüppchen saß und drückte dann frohgemut ab. Als wir die Bilder eine Woche später abholten, sah man leider nur verwackelte, unscharfe Gesichter. Aber die Tapete an der Wand des Trauzimmers hatte ich gestochen scharf getroffen, lauter knallrote Rosenblüten, eine neben der anderen.

Schließlich war die standesamtliche Trauung vorbei, dummerweise ohne das Anstecken der Eheringe, da die bestellten Eheringe leider nicht rechtzeitig gekommen waren. Aber wer braucht schon derartiges bei so viel Liebe.
Wir wollten die Trauung in Daniels Wohnung feiern, doch die Fahrt vom Standesamt zu seiner Wohnung fand nur etappenweise statt. Erst einmal musste Sascha einen Brief zur Post bringen, danach ging ihm sein Portemonnaie verloren, und wir fuhren noch einmal zum Standesamt und suchten dort alles ab. Glücklicherweise fand sich das Portemonnaie später in der Fototasche wieder, und zum Schluss mussten wir noch dringend zwei Tüten Parmesankäse für das Hochzeitsdinner kaufen, weil Daniel den Käse vergessen hatte. Zwischendurch ging dann auch noch Sascha selbst verloren, als er das Postamt in der falschen Richtung verließ, aber mit Hilfe unserer Handys konnte schließlich sein aktueller Aufenthaltsort ermittelt werden, und so fuhren wir doch noch vollständig versammelt zu Daniel.
Bei Daniel gab es dann einen festlich geschmückten Tisch - er hatte aus diesem Anlass sogar eine weiße Tischdecke ausfindig gemacht und gebügelt - und auf dem Tisch verteilten wir nun frischen Butterkuchen, russische Pfeffernüsse, Tee und Champagner. Die Zusammenstellung war zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch sie trug zu unserer wachsenden Fröhlichkeit bei. Ich hatte noch nie zuvor Pfeffernüsse aus Russland gegessen und dazu eisgekühlten Champagner und heißen Tee mit Sahne und Kandis getrunken.
Etwas später wandten wir uns dann vereint der Zubereitung eines Hochzeitsmahles zu: Emma schälte, entkernte und schnitt Zitronen, Tomaten, Gurken und Zwiebeln für meinen Hochzeitsfisch, und ich schichtete in der Auflaufform die köstlichen Zutaten für die gerollten Fische übereinander - inclusive anderthalb Liter Schlagsahne und zwei Tüten Parmesan, wobei mir schon klar ist, dass es eigentlich kein Tüten-Parmesan hätte sein dürfen. Daniel und Sascha wirtschafteten derweilen konzentriert am Dessert und waren mit dem Zerschlagen diverser Eier, der komplizierten Trennung zwischen Eigelb und Eiweiß und dem Einrühren eines weiteren Liters Schlagsahne beschäftigt. Da irgendetwas dabei schief zu gehen drohte und der Tonfall zwischen Daniel und Sascha zunehmend höflich gereizt wurde, verschwanden Emma und ich vorsichtshalber aus der Küche und setzten uns lieber zum Bräutigam.

Der Hochzeitsfisch war ein voller Erfolg und jeder hatte danach die Vorstellung, vielleicht besser nie mehr etwas essen zu wollen. Das Dessert stand währenddessen auf der Terrasse, um dort in der Kälte erfolgreich stocken zu können. Doch die Creme Brulée blieb traurigerweise im flüssigen Zustand. Daniel, der bereits als Kind begeistert mit seinem Zauberkasten trainiert hatte, verwandelte dann mit einem Küchentrick, den er geheim hielt, die sahnige Flüssigkeit doch noch in eine feste Creme, mit köstlich braunem Zucker bestreut.
Es gab alle nur erdenklichen Weinsorten aus allen nur möglichen Jahrgängen, wir redeten, lachten und spielten "Sechs nimmt", wobei Jacov die Spielregeln nicht so ganz verstanden hatte, was mich dann dazu brachte, auf seine Kosten einen Riesenvorsprung im Spiel erzielen zu können und Siegerin zu werden.
Wir diskutierten auch heiß - Sascha, Daniel und ich gerieten in eine Debatte zum Islam und dem Kopftuchverbot. An sich bin ich mit diesem Thema durchaus vertraut, und meine Argumente sind mir jederzeit geläufig - ich plädierte für ein Kopftuchverbot, während die beiden Männer gegen ein Kopftuchverbot waren. Merkwürdigerweise aber kamen mir just in dem Augenblick sämtliche schlüssigen Argumente, über die ich sonst souverän verfügte, abhanden. Ich vermute mal, dass es an den zahlreichen Weingläsern lag, deren jeweiliger Inhalt mir wohl ein ganz kleines bisschen die Sicht auf meine Argumente vernebelte. So blieb mir schließlich nichts als der rettende Sprung über die Abgründe meiner Synapsen hinweg und ich erklärte fest: "Ich weiß es eben einfach besser, und deshalb hab ich Recht! Basta!"
Diesem überzeugenden Argument hatte nun keiner meiner Kontrahenten mehr etwas entgegenzusetzen. Zudem bat Emma darum, die Kopftuchdebatte auf einen anderen Tag zu verschieben, da es gerade ihr Hochzeitstag sei. Dafür hatten wir natürlich alle großes Verständnis und ich war erleichtert, nicht mehr über Kopftücher und ihr Pro und Contra nachdenken zu müssen.

Emma und mich eint, neben vielem anderen, die ständige Angst, das Essen könnte nicht reichen. So hatten sie und ich zum Fischauflauf eine - wie üblich - viel zu große Menge an Kartoffeln geschält und gekocht. Am nächsten Morgen frühstückten wir bei Daniel knusprig warme Brötchen mit Butter und Honig und Jacov konnte sich dann - dank der Kartoffelreste - zu seinem Hochzeitsfrühstück wie gewohnt an einer großzügigen Portion kalter Kartoffeln nebst einem Stück Rest-Fisch erfreuen. Er hält unsere deutsche Gepflogenheit, morgens Brötchen zu essen, für ausgesprochen unbekömmlich und zieht die Kartoffel vor.
In diesem Zusammenhang warte ich jetzt neugierig auf zukünftige Enkel und widme mich bis dahin der spannenden Frage, ob Emma und Jacov mit ihren Kindern dann wohl - im Rahmen der Zusammenführung russischer und deutscher Essgewohnheiten - kalte Kartoffeln auf warmen Brötchen frühstücken werden.
Doch vor zukünftigen Kindern kommt erst einmal die traditionelle Trauung von Emma und Jacov unter der Chuppa, und da werde ich ganz bestimmt alle Tempo-Taschentücher verbrauchen. Das anschließende Hochzeitsdinner in der Synagoge wird ebenfalls ein Fischgericht sein. Wieder mit mehreren Litern Sahne?


Dinner for Five

Für 5 Personen 10 Filets vom Steinbeißer oder Rotbarsch (nicht zu groß und nicht zu dick, da die Fischfilets aufgerollt werden).
Tomatenmark, Pfeffer, Salz, 2 mittelgroße Zwiebeln, Butter, 12 - 15 Scheiben Zitrone (geschält und entkernt), 1 Glas Gewürzgurken, 10 enthäutete Tomaten, 1 (bis anderthalb) Liter Schlagsahne, 150 bis 200 Gramm Parmesan, Mondamin, Zucker.
Die Fischscheiben salzen und pfeffern, dünn mit Tomatenmark bestreichen, aufrollen und mit Holzspießchen feststecken.
Zwiebeln in Ringe schneiden, in Butter andünsten und damit den Boden einer Auflaufform auslegen. Darüber die in dünne Scheiben geschnittenen Gewürzgurken und die geschälten und entkernten Zitronenscheiben legen. Über alles kommen die enthäuteten, zerdrückten Tomaten. Mit Salz und Pfeffer würzen.
Die Fischfilets hineindrücken und die Sahne dazu gießen - circa 2 bis 3 Teelöffel Zucker dazu. 150 bis 200 Gramm Parmesan darüber streuen und Butterflöckchen draufsetzen.
Im vorgeheizten Backofen etwa 40 Minuten bei 190 bis 210 Grad backen - nach circa 20 Minuten die Fischfilets einzeln mit Alufolie bedecken, weil der Fisch sonst zu dunkel und zu trocken wird. Vor dem Servieren die Flüssigkeit noch mit Mondamin abbinden - dazu Kartoffeln mit frischer Petersilie.

Außerdem Gurkensalat: 2 Salatgurken in hauchdünne Scheiben hobeln. ¼ Teelöffel Salz, ¼ Teelöffel gestoßener Pfeffer, 3 Esslöffel Kräuteressig, 2 Esslöffel Zucker - alles zusammen mit einem Holzlöffel so lange rühren, bis sich Zucker und Salz aufgelöst haben. Dann die Marinade über die Gurkenscheiben gießen, vorsichtig vermischen.
Darüber kommt noch eine Dillsahnehaube: 1/4 Liter Sahne halbsteif schlagen und mit 2 bis 3 Esslöffeln Zucker, 1/4 Teelöffel gestoßenem Pfeffer und 2 bis 3 Esslöffeln Zitronensaft vermischen. Den gewaschenen, abgetropften, geschnittenen Dill (2 gehäufte Esslöffel) vorsichtig unterheben und die Dillsahne als Haube auf dem Gurkensalat servieren.
Am nächsten Tag unbedingt mit Diät und Gymnastik beginnen...

Rezept für den gerollten Fisch und den Gurkensalat aus dem Kochbuch "Das Fisch-Fiete Fisch-Kochbuch. Die Spezialitäten des Restaurants 'Fisch-Fiete' in Keitum auf Sylt". Wilhelm Heyne Verlag, 1986 München.

Das Rezept für die Creme Brulée verrät mein Sohn Daniel nicht. Er meint, man würde allein beim Lesen des Rezeptes mindestens ein Kilo zunehmen