Karin Schulze Vorsicht Enkelkind! Die Versicherung zahlt nicht alles! Birnen im Schlafrock Bis zur vergangenen Woche war meine kleine Welt noch in Ordnung. Ich hatte alles. Einen treusorgenden Ehemann, Haus mit Garten, einen Hund sowie eine Tochter nebst sechsjährigem Enkel. Ich hatte sogar eine beste Freundin. Jetzt bin ich allein! Nun gut. Ich hätte meinen Enkel auch etwas eher von seinen Hand, - und Fußfesseln befreien können! Aber ich konnte ja nicht erahnen, dass seine Mutter ihn vorzeitig abholt. Sie wollte uns ja unbedingt überraschen. Zu diesem Zeitpunkt war mein Mann aber schon ausgezogen und meine Freundin hatte mit ihrem vierjährigen Sohn Sebastian ebenfalls fluchtartig das Haus verlassen. Dass Nachbarn und Freunde uns seit dem Besuch meines Enkels meiden, erwähne ich nur am Rande. Wie alles kam? Eigentlich ist Tom, mein sechsjähriger Enkel ein liebes Kind. Sagt meine Tochter jedenfalls. Bislang konnte ich mir darüber noch kein Urteil erlauben. Sie wohnt mit ihrer Familie in England. Vor drei Wochen stand sie mit Tom heulend vor der Tür. "Mami, ich brauche unbedingt ein paar Wochen Urlaub von Kind und Mann. Hier hast du deinen Enkel. Ihr werdet euch wunderbar verstehen. Ich fliege für drei Wochen auf die Malediven. Ich muss ausspannen!" Schon war sie wieder fort. Natürlich freute ich mich über meinen Enkel. Er sieht aus wie ein kleiner Engel. Wir hatten nur einige Probleme mit der Kommunikation. Obwohl er ausgezeichnet deutsch spricht, tat er sich sehr schwer damit einige Regeln bei Oma und Opa einzuhalten. Nie hätte ich gedacht, dass ein kleiner Junge so wissbegierig ist. Woher sollte ich das auch wissen? Ich habe eine Tochter großgezogen! Als ich am ersten Tag seines Besuches mit ihm friedlich im Garten saß, fing er an zu quengeln. "Omi. Mir ist Langweilig. Darf ich zu den anderen Kindern auf den Spielplatz?" Ich ließ ihn gehen. Der Spielplatz liegt gleich um die Ecke. Er nahm seine neuen Inline-Skater mit. Eine Stunde später brachte ein Polizist den Kleinen nach Hause. Tom war barfuss und total verdreckt. Seine Hosenbeine, die in Fetzen an ihm hinunterhingen, sowie die Inline-Skater waren verkohlt. Tom hatte sich unbemerkt mein Haarspray stibitzt und damit Staubbällchen auf dem Kinderspielplatz besprüht. Danach ist er so lange auf den von ihm markierten Pfad auf und abgefahren, bis sich die Bällchen entzündeten. Ich hatte zwar die Feuerwehr kommen gehört, wäre aber nie auf die Idee gekommen, dass Tom soeben den wunderbaren, neuen Holzspielplatz abgefackelt hatte. Ich habe den Schaden noch am selben Abend meiner Haftpflichtversicherung gemeldet. Zwei Tage später brannte der neue Mercedes meines Mannes aus. Er hatte den Wagen mit offenem Schiebedach in der prallen Sonne stehen lassen. Richard war außer sich vor Zorn, als er seine Lupe, die er einen Tag zuvor nichtsahnend seinem Enkel gegeben hatte, auf dem verkohlten Autositz fand. Wiederum meldete ich einen Versicherungsschaden an. Richard war sehr wütend. Deshalb weigerte er sich auch von nun an, mit uns an einem Tisch zu sitzen. "Das ist kein Kind. Bei uns wohnt ein gemeingefährlicher Feuerteufel," schimpfte er immer wieder. "Wenn du ihn auch nur noch für eine Sekunde aus den Augen lässt, garantiere ich für nichts mehr," drohte er mir an. Weinend saß er neben den Trümmern seines Lieblingsspielzeuges. Er hatte sich das Auto buchstäblich vom Munde abgespart. Das heißt: Von meinem auch. Ständig musste ich mir sein Gejammer anhören: "Musst du schon wieder zum Friseur?" "Wozu brauchst laufend neue Kleider?" Mein letztes neues Kleid stammt noch von Toms Taufe. Bevor noch ein weiteres Unglück geschehen konnte, schob ich Tom in das Schlafzimmer. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ihn nicht mehr aus den Augen zu lassen. Aber zu allem Unglück läutete das Telefon. "Du bleibst hier im Zimmer und rührst dich nicht von der Stelle," gab ich Tom mit einem warnenden Unterton zu verstehen. Ein wenig tat mir mein trauriger Ehemann schon leid. Gleich morgen früh würde ich die Versicherung anrufen. Gerade als ich den Hörer ergriff konnte ich aus dem Fenster heraus sehen, wie mein Göttergatte plötzlich wie von der Tarantel gestochen, aufsprang. Sein Blick heftete sich ungläubig auf die Eingangstür unseres Hauses, die soeben mit lautem Getöse aus den Angeln gerissen, an seinem Kopf vorbeiflog. Sturzbäche von Wasser rissen Stühle und Teppiche aus dem inneren unserer Behausung mit. Ganz zum Schluss tänzelte unser neues, erst vor kurzem teuer gekauftes Wasserbett, wie ein gekentertes Schlauchboot auf den Fluten. Vage konnte ich mich noch daran erinnern, wie Tom und mein Mann sich am Vorabend erbittert darüber gestritten hatten, dass Wasserbetten auslaufsicher sind. Tom hatte Recht. Sie waren es nicht. Als ich zwei Tage später wieder einen Versicherungsschaden meldete, wurden uns umgehend sämtliche Verträge gekündigt. Richard zog nach einer Woche aus. Tom hatte ihn abends als er mit dem Fahrrad von der S-Bahn kam, am Gartentor empfangen. "Opa, Opa! Ich kann auf Wasser laufen. Mein Mann erstarrte. "Was hast du jetzt wieder angestellt, du Satansbraten," zischte er. "Nichts, Opa. Komme mal mit!" Tom zog seinen verschreckten Opa zum Swimmingpool. "Dauert nicht mehr lange bis die Götterspeise steif ist. Dann beweise ich dir, dass ich auf dem Wasser laufen kann." Ich kam gerade noch zurecht, um meinem tobenden Angetrauten davon abzuhalten, Tom in den Pool zu werfen. "Du missratenes Kind. Ich kann nicht glauben, dass du von meinem Blute bist. Poolfilter sind nicht geeignet für deine Späße. Sie verstopfen von Götterspeise." Ich zog meinen Wüterich in das Wohnzimmer. "Beruhige dich! Ich mache dir fix etwas zu Essen, dann geht es dir gleich besser. Tom wollte seinem Opa auch etwas Gutes tun. Er nahm das Toastbrot, welches ich zum Rösten bereitgelegt hatte und stopfte es in den Videorecorder. Mein Mann verließ stumm das Haus. Ich habe seitdem noch nicht wieder mit ihm gesprochen. Tom war sich keiner Schuld bewusst. "Aber Omi, was hat denn der Opa? Ich habe im Fernsehen zugeschaut wie man Toastbrot macht. Ist ganz einfach. Zeigen sie immer in der Werbung. Da kommt doch auch Brot aus dem Videorecorder!" Einige Tage später rief ich völlig verzweifelt bei meiner Freundin an. Nachdem Richard es vorgezogen hatte in ein Hotel zu ziehen, war ich mit Tom allein. Allmählich begann ich mich vor dem Bub zu fürchten. Erst gestern jagte er die Mikrowelle in die Luft. Der kleine Racker hatte Knetmasse reingetan und sich unter einem Stuhl verkriechend darauf gewartet wie lange es dauern würde, die Masse zum explodieren zu bringen. Ich bat Sandra inständig, Sebastian mitzubringen. Kein Kind aus der Nachbarschaft wollte und durfte noch mit Tom spielen. Der fünfjährige Sven von Gegenüber hatte aber auch wirklich einen Schutzengel. Er hatte sich "nur" das linke Bein und den rechten Arm gebrochen als er mit Tom Fallschirmspringen mit Müllbeutel übte. Die Krankenhausrechnung habe ich der verzweifelten Mutter sofort in bar bezahlt. Leider blieben Sandra und Sebastian nur zwei Stunden. Gerade als wir uns Kaffee eingossen, hörten wir einen ohrenbetäubenden Knall aus dem Wohnzimmer. Sebastian lag wimmernd am Boden über sich den Deckenventilator. Der Motor war nicht stark genug den Kleinen in seinem Bob- Der Baumeister Kostüm, im Kreis zu drehen. Obwohl ich mich bemühte die völlig verschreckte Sandra zu beruhigen, verließ sie mit schnellen Schritten, Sebastian fest an sich klammernd, das Haus. Ich war ziemlich deprimiert. Nun hatte ich auch keine Freundin mehr. Ich beschloss Wäsche zu waschen. Tom musste am Tag mehrmals umgezogen werden. Als ich die Luke des Waschautomaten öffnete, erstarrte ich vor Ekel. Mir fiel eine Handvoll Regenwürmer entgegen. Schnell kam Tom und steckte die glitschigen Dinger in seine Hosentasche. "Oma? Wird Regenwürmern schwindlig, wenn man sie schleudert?" Obwohl mir schlecht wurde zwang ich mich ruhig zu bleiben. "Lieber Gott, mache dass meine Tochter früher aus dem Urlaub zurückkommt," schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel. Am nächsten Tag versuchte es Tom noch einmal. Er hatte am Morgen unseren kleinen Hund geschleudert. Ich kam gerade noch rechtzeitig. ...Aber wenn Hunden schwindlig ist, erbrechen sie das doppelte ihres Körpergewichts. Danach suchte ich mir eine andere Versicherungsagentur und bat den Vertreter sofort vorbeizukommen. Bereits zwei Stunden später betrat er das offene Haus. Die Eingangstür war immer noch nicht ersetzt worden. Nachdem er sich die Trümmer meiner ehemals anheimelnden Wohnstadt angesehen hatte, weigerte er sich schlichtweg mein letztes Hab und Gut zu versichern. Stattdessen übereichte er mir ein Warnschild. "Wenn sie jemals wieder eine Versicherungsgesellschaft finden sollten, die bereit ist Sie zu versichern, hängen sie das aus versicherungstechnischen Gründen an ihr Gartentor. - Vorsicht! Hier wohnt ein Kind! - Als er vom Hof fuhr schaute ich ihm entgeistert hinterher. Murmeln im Tank machen beim Fahren eine Menge Lärm. Wie gesagt, meine Tochter fand es gar nicht lustig ihren Sohn gefesselt und geknebelt vorzufinden. Aber als es ihm auch noch gelungen war unsere Verbundfenster, die wirklich einbruchssicher sind, einzuschlagen, habe ich mir keinen anderen Rat mehr gewusst. Ich hatte einfach Angst, den Rest des Hauses auch noch zu verlieren. Meine braungebrannte, gut erholte Tochter bekam einen Tobsuchtsanfall: "Du hast keine Ahnung wie man mit Kindern umgeht. Kinder müssen sich ausleben, ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Es schadet ihnen, wenn sie mit unnötigen Verboten traktiert werden." "Was für Verbote denn?" versuchte ich mich zu wehren. Tom kennt dieses Wort gar nicht." Als meine Tochter mit Tom im Schlepptau das ramponierte Haus verließ, säuberte ich als erstes notdürftig die Küche. Ich brauchte jetzt was Süßes! Mir fielen "Birnen im Schlafrock" ein. Die waren genau Richtig als Seelenbalsam. Leider hatte ich vergessen in den Backofen zu schauen, als ich ihn vorheizte. Legobausteine und Plastikspielzeug vertragen nämlich keine Ober, - und Unterhitze. Birnen im Schlafrock 2-4 Birnen, schälen und aushöhlen 1 Block Marzipan 1 Tüte Krokant, zerkleinert 1 Päckchen Blätterteig 200 Gramm Puderzucker 150 ml Obstlikör ( Birne oder ähnliches) 1 Eigelb Schokolade oder Vanillesoße Marzipan, Krokant, Puderzucker und Likör miteinander verkneten, in die Birnen füllen Blätterteig ausrollen und jeweils einen Teil um die Birne schlagen. Ränder mit zerschlagenen Eigelb bestreichen. Bei ca. 170 C° im vorgeheizten Ofen so lange backen, bis der Teigmantel schön braun wird. (ca. 20 Minuten, je nach Ofen) Danach mit Soße begießen. Guten Appetit. Aber Vorsicht. Ich habe meinem Enkel auch davon gegeben. Mein Schwiegersohn brachte ihn einen Monat später zurück. Meine Tochter lag im Krankenhaus, weil Tom unbedingt den Rasen mähen wollte. Die Ärzte machten ihr Hoffnung. Beinprothesen lassen sich gut unter langen Hosen verstecken. Ich hätte mit der Likördosierung vorsichtiger sein müssen. Aber das fiel mir erst wieder ein, als ich von den Sanitätern aus dem Baumhaus im Garten gepflückt wurde. Tom hatte die alten Sylvesterknaller im Keller gefunden und damit das Haus in die Luft gejagt. Da wir nicht mehr versichert sind, werde ich vorerst zu meinem Mann ins Hotel ziehen. Tom lebt jetzt bei den Eltern seines Vaters. Opa Georg ist Versicherungsvertreter. |
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