Helga Braun Die Vergeltung Er saß ihr gegenüber. Seit zwei Monaten war er einen großen Teil des Tages an den Rollstuhl gefesselt, er, der zeitlebens ein Energiebündel gewesen war. "K k k a f f e, pidd e", hatte sie verstanden. Sie erhob sich unendlich langsam und goss ihm eine Tasse des Getränks ein, das er vor seinem Schlaganfall in Mengen zu sich genommen hatte, so wie er alles im Übermaß getan hatte: arbeiten, rauchen, reden lieben. "Nun bezaubert er keine anderen Frauen mehr mit seinem Charme. Wo sind seine Liebschaften? Nur ich bin ihm noch geblieben, ich, die immer für ihn da war. Doch diesmal bin ich die Hauptperson, nicht mehr das wärmende Feuer im Hintergrund, nicht mehr das Nest, zu dem er zurück flieht, wenn die anderen ihm lästig geworden sind." Die alte Bitterkeit, die seit mehr als zwanzig Jahren in ihr steckte, ließ ihren Puls fliegen. "Mit bloßen Füßen wäre ich für dich zur Hölle gegangen", grollte sie vernehmlich weiter. "Was hast du aus meiner Liebe gemacht? Als ich das erste Kind erwartete, hast du mich bereits schamlos betrogen. Ich fand Präservative in deiner Jackentasche, als ich sie zum Reinigen bringen wollte. Ein Reklamemuster, sagtest du, aber von drei Stück fehlten zwei. Verzweifelt und blindlings bin ich damals durch die Nacht gelaufen. Ich dachte an Selbstmord. Der Gedanke an das Ungeborene hielt mich zurück. Du wolltest mich schonen, war deine Entschuldigung. Es habe dir nicht mehr bedeutet als die Mahlzeit für einen Hungrigen. Warum nur bin ich bei dir geblieben? Du hast mir so vieles zugemutet, was mir unerträglich schien. Wie habe ich das alles nur ertragen können?" Sie sah ihn prüfend an. Sein Gesicht noch immer ausdrucksvoll war schmerzlich verzogen. "Ein Kranker, ein Sprachgestörter bist du, hat der Arzt gesagt. Es wird Monate, vielleicht Jahre dauern, bis sich dein Zustand bessert. Der Alte wirst du nie wieder sein. Ich brauche nie mehr mit anderen Frauen zu teilen, nie mehr brauche ich stundenlang auf einen Anruf von dir zu warten, auf das Klappen der Autotür. Die Brosamen vom Tisch des Reichen habe ich gegessen." Er schob ihr einen Zettel hin. "Nur dich habe ich immer geliebt", stand da in der Schrift eines Kindes, das gerade erst das Schreiben lernt. "Das hast du mir nach jedem Seitensprung beteuert", antwortete sie. "Immer wieder habe ich dir geglaubt, und jedes Mal hast du mich von neuem betrogen. Nein, ich zittere nicht mehr vor Freude, wenn du mich belügst. Denn auch jetzt lügst du, weil du mich brauchst, weil du niemand anderen mehr hast, weil du auf mich angewiesen bist. Aber ich falle nicht mehr auf dich herein. Zum erstenmal, seit ich dich kenne, fühle ich mich stark. Ich könnte gehen und dich verlassen. Keine Geliebte würde sich um dich kümmern, wer will schon einen Krüppel? Wer hat schon die Geduld, fünf Minuten auf einen einzigen Satz zu warten? In ein Heim würdest du eingeliefert. In einem armseligen Zimmer müsstest du hausen. Aber dann kämst du zu billig davon. Eine viel zu lange Zeit hast du mich gedemütigt und gequält. Wie viele Jahre liegen noch vor uns? Eventuell zehn, zwanzig, dreißig? In dieser Zeit werde ich bestimmen, was hier geschieht." Sie gab ihm ohne weiteren Kommentar den Zettel zurück und sagte laut und deutlich: "Morgen mache ich Kohlrouladen!" Kohlrouladen hasste er, schon bei dem Geruch wurde ihm übel. "Danach gibt es einen schönen grünen Tee, er soll viel gesünder sein als Kaffee." Sie strahlte ihn an. Sie wusste, dass er noch nie in seinem Leben Tee angerührt hatte. "Übermorgen koche ich Milchreis mit Zucker und Zimt. Den hast du immer den Kindern hingeschoben!" Er röchelte. "Nie wieder kaufe ich dir Zigarren. Sie sind schädlich für dich, hat der Arzt behauptet. Ich erweise dir also sogar einen Gefallen, wenn ich dich von deinem Laster befreie. Weißt du noch, wie du mir damals eingeredet hast, Leistungssport sei schädlich für eine Frau? Ich habe damit aufgehört, aber du hast weitergeraucht. Wie ich diesen Geruch hasse. Selbst im Schlafzimmer hast du gequalmt." "D a s Te te l e le f f on?" "Niemand wird dein Stammeln verstehen! Du bist auf mich angewiesen, selbst, wenn du frische Luft schnappen willst!" "D d d die L leu t te!" "Vor den Leuten werde ich sehr freundlich und liebevoll mit dir umgehen. Hast du nicht auch stets den Schein gewahrt, vor unseren Freunden, den Bekannten, dem Chef, den Arbeitskollegen?" Er versuchte, einen neuen Zettel zu bekritzeln. "Mitleid? Hast du Mitleid mit mir gehabt? Abends gehe ich aus. Zur Beruhigung bekommst du vorher noch eine heiße Milch mit Honig statt deines geliebten Rotweins." Er hasste es, allein zu sein. Hatte er jemals danach gefragt, ob sie sich einsam fühlte, wenn sie stundenlang auf ihn warten musste? "Ich werde sehr spät nach Hause kommen. Du wirst auf meine Schritte horchen, wie ich das immer getan habe. Wahrscheinlich wirst du denken: Sucht sie sich jetzt einen Liebhaber? Erinnerst du dich daran, dass du mich zu einer ménage à trois, ja, sogar zum Gruppensex überreden wolltest? Du hast mir vorgeworfen, ich sei besitzgierig, rückständig, verklemmt. Weil ich eine "Einmannfrau" war, hast du mich verachtet." Genüsslich öffnete sie ihre Bluse, zog sie aus, nahm den Büstenhalter ab. "Sieh, wie prall meine Brüste noch sind. Du warst ja immer ein Busenfetischist und hast mir zugeraunt, sie seien das Schönste an mir. Wie bei einer Siebzehnjährigen, hast du behauptet. Nun sind sogar deine Hände nicht mehr fähig, sie zärtlich zu berühren. Du kannst auch nicht mehr mit mir schlafen. Dein stolzer Freund ist zu einem armseligen Würmchen erschlafft. Aber ich bin noch jung, ich will noch nicht mit dir begraben sein." Er röchelte, versuchte, die Arme nach ihr auszustrecken. Sie besah sich im Spiegel, streichelte sich, bis die Brustwarzen dunkel und knöpfern hervortraten. "Ich glaube, wenn ich es darauf anlege, könnte ich mit manch einem schlafen, der mir gefällt. Ich könnte ihn sogar mit ins Haus bringen, ihn im Nebenzimmer lieben, dass du unser Stöhnen hörst, dir ausmalen kannst, was wir gerade tun und wozu du nicht mehr fähig bist. Du kannst dich nicht einmal mehr selbst befriedigen, wenn dich die Lust überfällt. Denn die Lust regt sich immer noch in dir. Du hast es mit anderen sogar in unserem Bett getrieben, wenn ich nicht da war. Vielleicht bereitet es mir Vergnügen das gleiche zu tun, dich ins Gästezimmer abzuschieben?" Er versuchte sich zu erheben, fiel in den Rollstuhl zurück. "Einen jungen, Hübschen werde ich mir aussuchen, dessen Haut glatt ist. Du hast auch immer jüngere als mich gehabt. Ich werde ihn verlassen, ehe er mich leid wird. Es gibt so viele Männer, die sich nach Wärme und Erfahrung sehnen. In meinen Träumen und Phantasien habe ich dir längst heimgezahlt, was du mir angetan hast." Er schien dem Ersticken nahe. "Jetzt ziehe ich mich vor dir an. Ich zeige mich dir in meinen schönsten Dessous und mit Strapsen. Schau nur genau hin. Das hautenge, tiefausgeschnittene schwarze Kleid wähle ich und die Schuhe mit den hohen Absätzen. Deinen Erbschmuck von deiner Mutter tue ich um, den du wie ein Drache gehütet hast. Bin ich nicht schön? Jeden Abend werde ich ausgehen. Vorerst werde ich allein zurückkommen, aber ich werde dir alles, was ich getan habe, haarklein berichteten. Du wirst nie wissen, ob ich es wirklich erlebt habe oder dich nur quälen will." Und sie nahm Mantel und Handtasche und ging. Grüner Tee aus ökologischem Anbau Zubereitung: ½ bis 1 Teelöffel pro Tasse mit heißem Wasser überbrühen das abgekochte Wasser soll auf ca. 80 Grad abgekühlt sein für eine anregende Wirkung 3 Minuten ziehen lassen für eine beruhigende Wirkung 6 Minuten der Aufguß kann 3 x wiederholt werden der erste Aufguß schmeckt am bittersten, hat jedoch den größten Vitamin C-Gehalt Grünem Tee wird eine antibakterielle, antikariöse, blutdruck- und cholesterinsenkende Wirkung nachgesagt. Er enthält Vitamine, Gerb- und wichtige Mineralstoffe und soll dazu beitragen, die Verkalkung der Gefäße zu verhüten. |
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