Marie-Theres Kroetz Relin Muttern und die Dauerwelle (erschienen in "Die Aktuelle" Heft 05 am 30.01.05) "Schalt das aus!" motzt Muttern der lauten Musik aus Girlies Zimmer entgegen. "Deine "perfekte Welle" geht mir so auf den Senkel!" Musik aus, Tür auf. "Ach Mama, ich kann doch anhören was ich mag, oder nicht?" Muttern nimmt ihre Tochter in den Arm. "Das hat ja auch nichts mit Dir zu tun, Süße.", seufzt sie mild "Aber seit dem Seebeben schlägt dieses Lied in meinem Hirn wie eine ironische Bombe ein." Girlie bleibt stumm, mit fragenden Augen. "Weißt Du," erklärt Muttern "ich bin traurig, weil ich weder die Naturgewalten, die, wie meistens, gerade die Ärmsten dieser Welt trifft, noch die reichen Länder, die jetzt so spendierfreudig helfen, verstehe. Keine Frage, diese Solidarität ist lobenswert. Aber vergessen wird dabei, dass TÄGLICH 100.000 Menschen an den Folgen von Nahrungs-, Trinkwasser- und Vitaminmangel sterben, bzw. an den daraus resultierenden Krankheiten. Das sind 58% der 62 Millionen Menschen, die im letzten Jahr gestorben sind! Verstehst Du? Jeden zweiten Tag tobt also ein unauffälligerer "Tsunami" über diese Erde, aber für diesen Völkermord fühlen wir uns nicht zuständig, wir nehmen ihn nicht einmal wahr!" Girlie nickt. "Da finden Gedenk-minuten statt, 500 Millionen Euro werden vom Flutkanzler zugesagt, Helmut Kohl weint seiner Ayurveda-Kur und Herr Ballermann dem Ende des Sex-Tourismus nach. Aber eigentlich müssten wir täglich an alle Menschen denken, die am Hunger sterben, statt sie ganz zu vergessen." "Hast ja Recht, Mama, und deshalb kann ich das Lied jetzt auch weiter hören." Und Muttern hat die Dauerwelle im Hirn. |
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