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Marie-Theres Kroetz Relin
Marionetten aus dem alten Puppenspiel
(erschienen in der "Neuen Revue" am 20.01.05)



Es war einmal... dies ist die typische Geschichte einer Hausfrau-
es gibt 15 Millionen "Nur- Hausfrauen" in Deutschland- nennen wir sie Mireille (67):
Im zarten Alter von 17 lernte sie einen "Puppenspieler aus Mexiko", pardon, den deutsch-kubanischen Schlagersänger kennen und heiratete ihren "schwarzen Engel" 10 Jahre später. Mireille gebar ihm zwei Töchter, hütete diese und die beiden anderen "K’s" (Küche und Kirche) und hielt ihm ansonsten den Rücken frei. Er brachte das Geld nach Hause und war der Mann, sie hatte also nichts zu sagen. 40 Jahre Leben in der klassischen Rollenverteilung. Während er sich mit "Hey, Mama, Ho" in die Herzen der (Haus-) Frauen sang, wartete seine Mireille geduldig und hoffte auf ein "Hallo, ruf doch mal an". Er hatte außerhalb des Rampenlichts aber wirklich wenig Zeit, denn er musste, frei nach dem Motto "Einer Frau treu zu sein ist eine Unverschämtheit gegenüber allen anderen Frauen", seine Virilität ausleben. Er war nun mal "kein Mönch, sondern ein Künstler" und außerdem: "Ein bisschen Spaß muss sein!" - Jeder dritte Deutsche hat seinen Partner schon mal betrogen, ab 35 tut´s bereits jeder Zweite, aber nur 46% gestehen ihren Seitensprung- Mireille duldete sein Doppelleben, denn ihr Lebenswerk hieß nun mal Roberto: ohne ihn war sie nichts, mit ihm war sie alles. Klar, sie selbst war ja auch nur eine Hausfrau, wenn auch eine Privilegierte, mit "Sekretärin, schönen Kleidern, Schmuck und Reisen", aber trotzdem ohne Einkommen, Eigentum, Rente und vor allem ohne Annerkennung. "Wer trinkt schon gern den Wein allein" muss sie sich oft gefragt haben und spürte ihre Vereinsamung am Herd immer deutlicher. Ihre weiblich-biologische Uhr tickte, während er sich samt seiner Manneskraft - "Heute so- morgen so" der 30 Jahre jüngeren Geliebten bis zum späten Vaterglück widmete. - Das Geheimnis vieler, langjähriger Ehen ist oft weniger das große,
gemeinsame Glück, als die Tatsache, dass keiner die Scheidung eingereicht hat.
- Eine Lebensveränderung wäre angesagt gewesen, aber Mireille war abhängig, konnte aus ihrem Knast im Hirn aber nicht ausbrechen und wurde statt dessen krank. Die Tochter nimmt ihrer depressiven Mutter die Entscheidung ab und "reißt sie aus dieser unglücklichen Ehe" - 214.000 Ehen wurden 2003 geschieden, dabei gewinnt die Hälfte aller Männer nach einer Scheidung um bis zu 11 % an Finanzkraft, die Hälfte der Frauen erleidet dagegen einen finanziellen Verlust von bis zu 23 %. Die Tochter "rechnet" öffentlich mit dem Papa ab- in medizinischen Kreisen spricht man von Co-Abhängigkeit, der Papa kontert mit "Man beiße nicht die Hand, die einen füttert. Aber ein fauler Apfel ist immer darunter." Eben, der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm. Mireille zieht zur Tochter, reicht die Scheidung ein und bekommt Panikattacken vor Angst, ein "Sozialfall" zu werden- vom Gericht zugesprochener Unterhalt: 7100 Euro. Sie zieht bei der Tochter wieder aus und bettelt beim Puppenspieler um Versöhnung. - Der Verlust eines geliebten Menschen kann schwere psychische und physische Erkrankungen wie z.B. Depressionen oder sogar Selbstmord auslösen (Alle 4 Minuten gibt es in Deutschland einen Selbstmordversuch) -
"Die Antwort bist Du" - Mireille’s Sinn ihres Lebens. Beim Wiedersehen zupfte er an ihrem Kinn und demonstrierte der laufenden Kamera stolz ihr Lächeln. "Sie war'n oft selbst wie Marionetten aus dem alten Puppenspiel." Das Ende vom Lied: die Hausfrau ist im Sanatorium. Der Puppenspieler nicht.
P.S.: Ähnlichkeiten mit lebenden Blancos sind wirklich rein zufällig.