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Marie-Theres Kroetz Relin
Muttern und wann ist Frau ein Mensch?
(erschienen in "Die Aktuelle" Heft 39 am 18.09.04)


Muttern steht vor dem Schrank, ihre Augen wandern über die Kleidungsstücke und bleiben gezielt an einem Kostüm hängen: Das kleine Schwarze, ja, das passt. Sie verzieht sich ins Bad und mit hochgesteckten Haaren, engem Rock und schön geschminkt verlässt sie es wieder. Heute ist ihr Tag: Bürotag!
"Ich liebe es, wenn ich den Haushalt hinter mir lassen und mich der Buchhaltung widmen kann!" erzählt Muttern ihrem Hund. "Warum sollte ich mich dafür nicht hübsch machen? Eine Sekretärin macht das ja auch, oder? Nur schade, dass unser Herrchen mich jetzt nicht sieht." grinst sie und startet den Kopierer. Mit dem Bleistift bewaffnet attackiert sie Kontoauszüge, sortiert heimatloses Papier in neues Ordner-Zuhause ein, füllt Anträge aus und stellt Steuerunterlagen zusammen. Zwischendurch erledigt sie Anrufe, meistens als Frau "von", durchaus wichtig, aber immer charmant.
Gegen 11 Uhr gönnt sich Muttern eine Kaffeepause. Noch zwei Stunden hat sie vor sich, ohne Kinder, ohne Alltag. Sie genießt es, denn diese getane Arbeit wird "Er" wahrnehmen. Und sich freuen. "Es muss schön sein, so einen regelmäßigen Job zuhaben. Und Kollegen!", seufzt sie und streichelt den Hund.
Gewissenhaft und liebevoll bringt Muttern die Büro-Arbeit zu Ende. Sie geht wieder ins Bad, zieht leicht wehmütig ihre alten Jeans an und schmeißt sich an den Herd. Der Hund folgt Muttern begeistert. "Weißt du, Wurzelpurzel, ich glaube, ein Mensch fängt erst bei der Sekretärin an!" Beim Zwiebelschneiden läuft Ihr eine Träne über das Gesicht.
Und wann beginnt die Frau, Muttern?