Wolfgang Höhn MensTrueAction Männer haben Fantasien, die sie vor (ihren) Frauen verstecken, aber gerne von ihnen verstanden wüssten. "Das ist unmöglich!", brüllt die Vernunft in ihm. "Wie soll mich eine emotional involvierte Frau verstehen wollen können?" Bitte: Nicht vergessen: Frauen verstünden gerne, nur erklärt es ihnen niemand in einer verständlichen Sprache, denn emotionsimmanente Erklärungen sind nach §1, Abs.1 der Beziehungsgrundrechte zum Scheitern verurteilt. "Ich habe einen Traum..." fängt seine Erklärung an und Frau denkt: Aha, ficken. Daraufhin verdreht Mann die Augen, wendet sich anderen (Des-)Interessen zu und kompensiert sich stillschweigend in Masturbationsfantasien (mit Frau als Werkzeug), als Workaholic oder in Alkoholismen. Wozu reden, wenn sie nicht verstehen will? Nächster Versuch, todernste Miene: "Ich habe einen Traum...", er wartet, sie sieht ihn an, diesmal schweigsam, konzentriert. "Warum sagst du nichts?", fragt er verunsichert. Sein Mut sinkt, er nimmt einen Schluck, sie lächelt aufmunternd, er nimmt noch einen Schluck und verwässert nach und nach seine Aufrichtigkeit zur Unverständlichkeit - nicht weil er lallt, sondern weil die Verbalisierung eines emotionalen Problems dieses in seinen Augen konterkariert; er will nicht plaudern, sondern... "Ficken!", jubiliert sie feixend. "Wusste ich's doch!" Alles dahin. Männer haben immer noch Fantasien, die sie gerne von (ihren) Frauen verstanden und materialisiert haben möchten. Weil das selten klappt, hier für alle Frauen, die nicht verstehen (wollen, können, müssen, dürfen...), die redigierte Kurzversion der Erklärung eines guten Freundes, der sich nach den letzten - zugegebenen sehr frauenfreundlichen - Kolumnen etwas vernachlässigt fühlt: "Ich habe einen Traum", hebt er an, während sie eine Miene formt, als blickte sie wissend in die tiefsten Tiefen seines seelischen Universums, dieses Schwarze Loch authentischer emotionaler Unreife, auch AEU genannt. "Ficken nämlich", fährt diesmal ER fort (sie verzieht keine Miene, bitte beachten: Wichtig!). "Mit einer Frau, deren Aussehen im Grunde unwichtig ist. Sie hat keinerlei Vorzüge gegenüber dir, mein Schatz, ihr einziger Unterschied besteht darin, dass es NICHT DU bist, dass es eben eine andere ist. Das allein ist reizvoll: etwas anderes. Ich möchte dich mit der Auslebung dieses Traums nicht verletzten, aber ich verletzte mich mit der Tatsache, dass es - bis auf wenige, sehr vernachlässigbare Ausnahmen (an dieser Stelle ein bemitleidender Gruß an alle "Ausnahmen") - nur ein Traum bleiben wird, jeden neuen Tag, immer wieder. Ich kann dieses Tier in mir nicht packen, aber es ist einfach da. Manchmal schläft es, bisweilen döst es nur, aber es ist immer sprungbereit, um mir seinen Traum mitzuteilen, wenn es erwacht. Ich bändige es, so gut ich kann, ein anstrengender Kampf, der unterschiedliche Seelenzustände hervorrufen kann, von Selbstverachtung und Depression über Euphorie und Idiotie bis hin zu Gleichgültigkeit oder Arbeitswut. Ich weiß, dass tief im Schwarzen Loch ihrer AEU alle Männer so denken wie ich, Verleugnung ist demzufolge auch nur Kompensation, glaubt keinem Mann, der euch überzeugen will, "über"zeugen ist eine andere Etage als zeugen. Das Arrangement, das wir Männer mit dieser Tatsache treffen, ist pure Berechnung. Ich kann mir nicht vorstellen, ob ein dauerhafter Ausgleich möglich ist, weil eine derartige Versuchsanordnung nicht im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegt. Die erwähnte Frau ist unkompliziert, geht automatisch auf meine ständig wechselnden Wünsche und Vorlieben (auf die ich wenig Einfluss habe) ein und hinterfragt Aktionen nicht. Sie liebt meine Bewegungen, Gedankengänge und Vorlieben, auch wenn diese noch so abstrus sein sollten oder sich widersprechen. Es geht nicht ums Ficken, sondern um das, was drum herum passiert, ein Orgasmus ist nur Symptombekämpfung, kein nachhaltiger Lösungsansatz. Jeder Orgasmus ist ein Ringschluss. Das Neue, das Unkomplizierte, das Fallenlassen ist Teil der Medikation, und zwar ohne danach Erklärungen abgeben zu müssen. Aussehen und Charakter der Frau verändern sich ständig, das liegt an meiner Stimmungslage, nicht an irgendwelchen Defiziten oder Enttäuschungen. Dieses Verlangen kehrt in regelmäßigen Abständen wieder, einmal stärker, einmal schwächer, vielleicht vergleichbar mit den körperlichen und emotionalen Auswirkungen der Menstruation auf eine Frau, nur dass der Mann nach Aktion verlangt, nach der Wahrhaftigkeit eines Traumes. Des Mannes wahre Aktion, men's true action. Ich bin mir sicher, dass es mir nicht besser ginge, wenn ich mir diesen Traum erfüllte, nicht wirklich, nicht wirklich dauerhaft. Aber das Wissen um die Unmöglichkeit, in einer festen Partnerin diese Erfüllung auszuleben, belagert meinen Verstand wie mein Herz. Denn so wie eine Frau - nachvollziehbar - erklärt, sie können einen Mann nur ficken, den sie liebe, ist es bei einem Mann genau umgekehrt: die Liebe eines Mannes zu seiner Partnerin braucht die Grundlage ihrer verlässlichen Hingabe; was ist so schlimm daran "sein Werkzeug" zu einem besseren gemeinsamen Leben zu sein, wenn er sie dafür liebt? Doch er braucht nicht nur die Aktion an sich, sondern ebenfalls ihre Versicherung, sich um das erträumte Neue, Andere und Abenteuerliche zu bemühen, und da dieses zudem einer gewissen Abnutzung unterliegt, sollte es von ihr aktiv und regelmäßig erneuert und gepflegt werden. Überzeugende schauspielerische Künste sind in diesem Zusammenhang unerlässlich. Gefickt werden kann dabei auch gerne... dafür gibt es das, was sich eine Frau erträumt: Rückhalt, Zufriedenheit und Liebe." So weit der Freund. Hielte ein Mann seiner Frau in Wirklichkeit einen solchen Vortrag, er riefe Gemütszustände und Emotionswallungen hervor. Der Mann aber will keine Gemütszustände oder Emotionswallungen, er will lediglich... Wie bitte? Genau. Anschließender Monoepilog (w) "Was soll ich dazu sagen? Ist seine Liebe nur Tauschprodukt als Grundlage für Harmonie und Treue? Bin ich seine persönliche Apparatur seines sexuellen Wohlergehens? Was soll ich mit einer erhandelnden Liebe anfangen? Soll Sex ebenso großen Stellenwert haben wie Liebe? Männer sind so simpel." Abschließender Monoepilog (m) "Warum sieht sie mich so fragend an? Warum weint sie? Warum zieht sie sich zurück? Warum ist sie beleidigt? Warum versteht sie nicht? Warum verkompliziert sie alles? Warum denkt sie so vernunftwidrig und emotionsbetont? Ich liebe sie eigentlich auch ohne Sex, na ja, ganz klar, wieso auch nicht, keine Frage, sicher wahrscheinlich, nehme ich mal an. Ich wollte nur etwas erklären. Hm. Da sieht man es wieder: Emotionale Aufrichtigkeit zerstört. Frauen verkomplizieren." Mit freundlicher Genehmigung von Wolgang Hoehn. Weitere Infos und Kolumnen: www.montagskolumne.de |
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