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Wolfgang Hoehn

Vollzeitvater Quotenhausmann


Das Magazin "WOMAN" untertitelt ihren Artikel "Neue Väter" (Ausgabe 21/2004, 21.09.2004) mit: 77 Prozent der deutschen Männer können sich vorstellen, als Teilzeitväter zu arbeiten. Drei Prozent tun es. Kann sich keiner vorstellen, Vollzeitvater zu sein? Kann ein Mann dies überhaupt? Ich bin Vollzeitvater. Bin ich ein Paria? Eine Spurensuche.

Bisweilen beschleicht mich die Erkenntnis: (Haus)man(n) wird nicht für voll genommen. Die Eier legende Wollmilchsau gibt es auch nur als Scherzartikel, genauso fühlt man sich als Vollzeitvater: Unvollständig, angreifbarer als eine normale Hausfrau, belächelt aus bekannten Gründen: Männer können weder säugen noch haben sie typisch weibliche Talente. Diese emotionalen Wracks putzen, kochen, waschen, sorgen für die Familie wie andere Frauen, aber sie werden nie einer wirkliche Hausfrau das Wasser reichen können. Hausmann eben nur. Wie das schon klingt. Leicht bescheuert und suspekt. Was ist schon eine "normale" Hausfrau... Nichts ist normal. Doch, eines ist normal: langweilig nämlich.

Als Hausmann macht man einiges durch, bis sich Routine einstellt. Nicht die eigene häusliche wohlgemerkt, sondern die Sichtweise anderer. Angefangen bei den diese Situation belächelnden Schwiegereltern, die kopfschüttelnd an der Zukunft der Ehe bei einer solchen Basis zweifeln (eigentlich zu Recht), bis hin zu Freunden, deren männlicher Anteil einem eine faule Haut zuschreibt (was einen sofort tief blicken lässt) und deren weiblicher Anteil begeistert "Wow!" ausruft - aber nur das karrieregeile Klientel davon, der große Rest teilt sich in zwei Lager: die bemitleidenden und die in Frage stellenden Mütter.


Bemitleidet wird man nur hinter verhohlener Hand im Vier-Augen-Gespräch: "...ist es für eine Frau schon nicht leicht, wie muss das erst für einen Mann..." Doch das hält selten lange an, schließlich liegt Selbstmitleid bei solchen Aussagen nahe und wer gibt sich schon gerne eine Blöße? In Frage zu stellen ist Mode momentan. Früher nannte man das offen kritisieren, heute leben ganze Berufszweige und Branchen von Kritik und vom Reformstau. Die neuen Vollzeitväter leben tatsächlich anders. Wie in einer neuen Branche mit neu aufgemöbeltem Beruf. Beleuchten wir diese Branche einmal etwas näher.

Der VV (klingt nicht nur nach Wauwau) macht primär das, was Hausfrau im allgemeinen sonst eben auch leistet, Ausnahme: säugen. Abgepumpte oder angerührte Milch zu applizieren, kann aber ebenso spannend wie aufopferungsvoll sein, an den leckeren Hinterlassenschaften ändert dies wenig. Doch da nichts über Säugen geht, lässt sich Frau dies mit Fug und Recht ungern nehmen. Wozu haben Männer dann Brustwarzen? Genauso schlaue Gegenfrage: Warum haben Frauen eine Klitoris? Spaßeshalber? Spaßeshalber. Die Aufgaben eines brustwarzenbewehrten Mannes unterscheiden sich nur geringfügig von der beklitorisierten Frau, es sind nur automatisch weniger. Weniger, weil der Frau unter anderen eine entscheidende Eigenschaft fehlt, sie dafür aber eine zusätzliche besitzt. Frau lebt emotionaler. Ein Mann kann Menschen lieben, ohne dies ständig zeigen zu müssen (Kennen Sie den Satz: "Nie sagst du mir, dass du mich liebst!"?), eine Frau zeigt dies gerne und gerne auch oft. Diese Liebesbekundungen finden statt, wenn Frau von ihrem Karrieretrip nach Hause kommt, ein Mann würde lieber ein Bier trinken, den PC neu booten oder sich ungestört kratzen. Es gibt auch das Klischee, Frau sähe Schmutz besser als Mann, viele von Hausmännern versorgte Familien leben in solchen vehement bestrittenen Klischees.

Ich wundere mich immer wieder, warum Frauen von Hausmännern so viel Haushaltsarbeit zusätzlich selbst erledigen. Nach einer zeitlich begrenzten Recherche von 5 Jahren endete meine VV-Suche bei 5 waschechten (sic!) Exemplaren - mehr waren bei aller Mühe nicht aufzutreiben. Doch eine längere oder intensivere Beziehung hat sich nie ergeben, Hausmänner sind scheu wie Rehe, stark wie Bären und - faul wie Schweine. Schattensprünge ausgenommen, aber das beinhaltet der Begriff HausArbeit. Der eine Vollzeitvater arbeitete sporadisch halbtags und zu Hause nahezu gar nichts, er war nur so eine Art angeheirateter Kleinkindsitter (also im Grunde wieder gar kein richtiger VV), der nächste beschränkte sich darauf, Fußball zu gucken und zu jammern, ein anderer war Arbeitsloser und dieser harte Fulltimejob fraß all seine Energien, der nächste liebte Chaos, Klamauk und Kakerlaken, wieder ein anderer lebte als Homosexueller, dessen aufs peinlichste zelebrierte Reinlichkeit zählt also nicht. Insofern hat WOMAN Recht: sie sind tatsächlich vernachlässigbar, unsere Vollzeitväter.

Ich wundere mich nun also nicht mehr, warum Frauen von Hausmännern so viel Haushaltsarbeit selbst erledigen, denn sonst macht es ja keiner (richtig gut darf anfügen, wer will). Vollzeitväter lieben Aufgaben. Sie erarbeiten sich eine Tagesagenda, ein Wochenkonzept und haben Sex nach Plan F. Sie könnten zwar immer, aber nach Hause kommt abends kein abgearbeiteter Mann, dessen spezifischer F-Interessenbereich bedient werden möchte, sondern eine M-Frau, die erstaunlicherweise vor Energie sprudelt. Frau ist nicht klein zu kriegen, nicht nach einem 6-Uhr-Frühstück, nicht nach 10 Stunden Maloche, Mobbing, Machosprüchen, nicht nach angehängtem Turbo-Einkauf und auch nicht nach abendlichem aufopferungsvollem Familiendienst, wie Mann es bezeichnete. Nicht zu erschöpfen, diese Energiequelle. Mann wundert sich und freut sich sehr - vergebens.
Denn alle weibliche Energie verpufft, wenn es ins Bett geht und Frau sofort in Tiefschlaf fallen kann. Ein Mann findet solch ein Verhalten sonderbar.

Ein Vollzeitvater ist eine unzeitgemäße Figur voller Zwiespältigkeit: Soll er, kann er oder muss er? Nicht die Frage, wie etwas erledigt werden soll, beschäftigt ihn, sondern ob dies unbedingt nötig ist. Dort Staub zu saugen, wo es nicht nötig ist, verletzt seine Logik. Zu waschen, obwohl noch nicht drei Maschinen nacheinander angefallen sind, widerspricht dem sinnvollem Ablauf einstudierten Haushaltsbasiswissens. Flur wischen ist Montags um halb elf dran.

Vollzeitvater heißt aber auch, dass die Kinder sich an einem männlichen Vorbild orientieren, gleichgültig, ob dies gut oder weniger gut für die weitere Entwicklung der Kinder ist, Jungs ist mit dieser Rolle eher gedient, Mädchen stehen vor einem Problem. Bärendienst? Programmierte Emanzipation? Unfug. Umgekehrt ist das bisher ebenfalls gut und schlecht gelaufen, es gibt nur keine verlässliche Studien über die Entwicklung von durchgängig von Vollzeitvätern betreute Kinder. Es darf also munter drauflos spekuliert werden, Foren und Kaffeekränzchengespräche sind voll davon. Fakt ist, dass Kinder einen Vater brauchen, weil ein Mann
1. anders mit Kindern umgeht. Ein Mann behandelt Kinder raubeiniger und härter als einen Mutter. Er lässt sie schon mal durch die wirbeln, und während das Kind vor Freude kreischt, bleibt der Mutter fast das Herz dabei stehen. Doch die grobe Behandlung brauchen Kinder.
2. anders mit ihnen spricht. Er hat nicht den typischen Niedlichkeitswortschatz, mit denen jede Mutter anwesende Männer zum Augenrollen bringt. Mann artikuliert exakter, er redet mit Kindern wie mit Erwachsenen. Das mag angebracht sein oder nicht, jedenfalls ahmen Kinder die Sprache nach, die sie hören.
3. ...?

Fremde Kinder fänden Väter noch ganz nett - wären nicht deren Mütter in der Lieferung inbegriffen. Als Vollzeitvater hasst man Kinderbesuchstreffen, weil selten nur die Kinder allein anwesend sind, sondern auch deren Mütter, und damit fürs männliche Gemüt redundante Kuchentischgespräche fest eingeplant sind. Wie oft habe ich zwischen verbalisierten Kuchenrezepten und Pflegeratschlägen dagesessen und heimlich auf die Uhr gestarrt: Noch 2 Stunden, noch 1 und eine Dreiviertel. Anderthalb. Eine. Puh... Nie waren die zugehörigen Väter länger als ein paar Minuten anwesend, meistens kannte ich sie - wenn überhaupt - nur vom Sehen am ersten Besuchstag. Dann verschwanden sie ins Hausbüro, in die Werkstatt, zum Sport. Eine nachmittägliche Tischrunde von Müttern ist für einen Mann absoluter Horror und diesbezüglich kaum zu übertreffen. Wenn sich doch einmal ein Gespräch mit einem Vater ergab, verebbte dieses schnell nach dem Niveau der Unsäglichkeit und Belanglosigkeit zu Sprachlosigkeit. Wenn Mann schweigt, versteht er sich besser.

Männern hat Midas Dekkers aus der Seele geschrieben, der in seinem Buch "Von Larven und Puppen" die Frage aufwirft: "Soll man Kinder wie Menschen behandeln?" Jede Frau, die ich darauf angesprochen habe, sah mich an, als wollte sie mich fressen - wenn sie mich überhaupt eines Blickes würdigte. Dabei sind Kinder tatsächlich nicht mit erwachsenen Menschen vergleichbar, sie sind alles andere, typisch menschliche Eigenschaften schlummern allenfalls in deren Genen. Sie sehen aus wie kleine Menschen, benehmen sich aber wie unbeholfene rücksichtslose Tiere, bisweilen sogar wir kleine Monster. Sie leben nach der Devise fressen, kacken, kreischen und man ist darauf bedacht, diese Willensäußerungen zu bedienen, weil man weiß: Danach sind sie satt, sauber, leise. Mann ist darauf bedacht, aus ihnen ein logisches, funktionierendes, rationales Wesen zu formen. Genau das wird ihm zum Verhängnis und ihn scheitern lassen - bis das Kind irgendwann automatisch so weit in seiner Entwicklung fortgeschritten ist, dass es genau das ist, was Mann aus ihm formen wollte. Alle logische, funktionierende, rationale Liebesmüh ist vergebens bei der Aufzucht. Wenn dies der Vollzeitvater nicht nur begriffen hat, sondern auch praktisch anwendet, wird er automatisch zu mehr Energie finden - auch wenn die der Frau unerreichbar sein wird. Gott hat den Menschen geschaffen; er hat ich nicht erzogen. Klarer Fall: Gott wird eine männliche Rolle zugeschrieben.

Bei aller Liebe zu Gleichberechtigung und den so als nötig verkauften und propagierten Geschlechterkampf, irgendwann werden auch Männer Kinder kriegen können oder Kinder werden außerhalb des menschlichen Körpers herangezüchtet wie im Kinofilm "Matrix" zu sehen war. Dann werden Rollen nur noch nach ökonomischen Gesichtspunkten verteilt werden, eine "moderne" Gesellschaft wird sich keine Ausreißer mehr erlauben können, Mann wie Frau werden perfekt in diese Gesellschaft passen müssen oder unten durchfallen. Sex wird nur noch Spaß sein und keine unerwünschten Fehlzündungen mehr produzieren. Ob diese Berechenbarkeit ein angenehmeres Dasein als das eines Vollzeitvaters liefern wird, bezweifle ich. Gegen diese Zukunftsaussichten sind die Probleme unserer heutigen Vielfalt ein Zuckerschlecken.

Bis es also soweit ist, sollten wir die Vor- wie auch die Nachteile unserer Geschlechterrollen zum Wohle von uns, unserer Familien und unserer Gesellschaft annehmen und uns daran erfreuen, statt Pfründe verteidigen oder geschlechtsfremde Eigenschaften adaptieren zu wollen. Und die Ausreißer sollten als Vorreiter und Kämpfer für ein mögliches Morgen betrachtet werden, nicht als geduldete Versager. Ein Vollzeitvater wird jedenfalls nicht so schnell die 5%-Hürde schaffen, dafür hat die Natur langfristig vorgesorgt. Doch sie wurde auch schon des öfteren besiegt, nicht immer auf vernünftige Weise, doch zum Wohle der Menschen. Glaubt man. Frau auch?

Eines ist sicher: Es ist viel machbar und erreichbar - wenn man nicht alles braucht und will.



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