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Wolfgang Höhn

Holt Frau Raus!



Man hat mich angeregt, eine Kolumne über das Münchner Treffen der Hausfrauenrevolution und die HFR an sich zu schreiben.

"Das klappt so nicht", murrte ich. "Ich schätze sie dort. Alle. Selbst diejenigen, die mich nicht verstehen wollen/können. Ich müsste zugleich kritisch und bewundernd schreiben. Sicherlich werde ich missverstanden werden. Außerdem schreibe ich ungern autobiografisch."
"Na und?", antwortete man mir.
Eben: Na und?
Also gut. Ich kam zur HFR durch einen Bericht des zeitkritischen Magazins quer des Bayrischen Fernsehens über die Initiatorin der Hausfrauenrevolution Marie Theres Kroetz Relin und ihre Anliegen. Ich bin ein Hausmann, aber kein typischer, aber was ist schon ein typischer Hausmann? Eine typische Hausfrau? Ein Klischee, eine Wahrnehmung oder der ultimative Rückhalt unseres sozialen Systems? (In Wahrheit ist es von allem ein bisschen.)
Ich surfte auf die Website, meldete mich als User an und begab mich in die Höhle der Löwinnen. Teils aus Neugier und Interesse, teils aus Zeitvertreib, teils weil ich in einer Provinz lebte, in der Hausfrauen ihr hausfräuliches Klischee hemmungslos und nachdrücklich ohne Selbstwahrnehmung nach allen Seiten ausleben. Meine Erfahrungen aus Treffen mit Müttern anderer Kindergartenkinder waren: Hausfrauen möchten gerne ein Klischee bleiben oder sich selbst und ihr Dasein gar nicht als leidensfähig erachten. Dies verwunderte mich ebenso wie die Tatsache, wie bodenständig, verständnisarm und oberflächlich mir der Alltag von Hausfrauen extensiv vorgelebt wurde. Ich beschwichtigte meine mich erschreckende Erkenntnis damit, dass Selbstkritik oftmals aus Mangel an Zeit scheitert. (Dies war mein erster gedanklicher Ansatzpunkt: Träfe ich auf der HFR derart selbstunkritische Frauen? Vielleicht sogar eine aus meiner Umgebung? Antwort vorweggenommen: nein. Weder im Netz noch auf dem realen Treffen. Aber vielleicht lag dies daran, dass eben die Grenze des Internets, die Teilvirtualität der HFR-Gemeinschaft bereits im Vorfeld ein gewisses Klientel vorsortiert.)
Kleinstenteils begab ich mich auf die Website der HFR, weil ich mich als zugehöriger Hausmann fühle, zumal als einer, der kein richtiger ist. Mir war ohnehin klar, dass ich ein Paria bleiben würde: ein Körperteil zuviel, zwei zu wenig. Bitte: Nichts geht über bestätigte Vorurteile! ;-)
Jetzt, nach dem ersten Treffen mit Hausfrauen der HFR in München, da hinter anonymen Nicknamen reale Personen lachen, streiten, ein Glas Wasser an die Lippen führen, fühle ich mich (nicht nur um eine Erfahrung) bereichert. Die, die ich noch nicht persönlich kenne, haben mithin großen Kredit. Natürlich emotionalen, welchen sonst.
Die Hausfrauenrevolution (HFR - www.hausfrauenrevolution.com) ist eine Instanz mit einem Namen, der abschreckt. "Hausfrauenecke" klänge stammtischerfahrenen Männern gerechter, vermutlich weil kaffeekränzchenkompatibeler. Wer, bitte sehr, möchte an Haus und Familie gebundene Frauen wohl genau dort haben: in einer Ecke, überschaubar, abgestellt, Gefühle eingedost, die traurigen bitte weit nach hinten, die lebensfrohen vorne in Augenhöhe; man will sich bedienen, dosenöffnerparat grummelnd, grunzend. Puh, bei derartigen Gedanken sollte der Name HFR noch viel abschreckender wirken.
Vernehmliches Stammtischgetöse: "WAS wollen sie? Revoltieren? Gegen wen, wogegen denn? Gegen das Bankkonto? Gegen den Ernährer? Die sollen doch froh sein: sind den ganzen Tag zu Hause, sind keinem Druck ausgesetzt, dürfen bei den Kindern sein. SO EIN SCHMARRN!"
Männer befürchten jeglichen weiblichen Aktionismus zuerst als Konspiration gegen sich, sind sie doch selbst Meister dieser Art. Es gibt Männer, die "erdulden" (wie sie es insgeheim bezeichnen) die Nachteile einer Ehe, um durch die Vorteile ein angenehmeres Dasein aushalten zu dürfen. Waschen, kochen, spülen, einkaufen, mit den Kindern spielen, putzen, aufräumen - ja natürlich, das können sie auch. Wenn sie müssten. Aber sie könnten es nicht dauerhaft. Originalton: "Denn da MUSS man ja verblöden..."
Aha. Verblödete Hausfrau männlicherseits erwünscht? Damit sie stiller hält? Auf die Barrikaden! Aber wie? Wie eine Wertschätzung bei demjenigen erlangen, der so darauf herabsieht? Die Plattform Hausfrauenrevolution will nicht nur den Status Quo verändern, sondern vor allem das Gefühl im schwer änderbaren Status Quo angenehmer gestalten. Einen Ansprechpartner liefern, einen Gleichgesinnten, einen Mitfühlenden. "Virtueller Stammtisch für Hausfrauen?", lacht der Ehemann. Und wie wollt ihr virtuell ein Bier trinken?
Wollen sie eben NICHT. Sie wollen verstanden sein. Nichts weiter. Und doch viel mehr. Verstanden werden nicht einfach nur so eben mal als dahingerotzte verständnisvolle Bemerkung, die sie ein weiteres Jahr lang beschwichtigen und hinhalten soll, sondern verstanden im Sinne von Wertschätzung, und dies regelmäßig und begründet. Auch nach außen hin, auch an den Stammtischen der Männer, wo diese so gerne, große Sprüche reißend, Stärke demonstrieren möchten. Jawohl. Des Mannes Stärke ist eine Demonstration gegen seine innere Schwäche - wenn man ihn durchschaut. Das will die HFR nicht: Selbstbeschönigung, Hinwegtrost. Was will sie dann? Die Männer horchen auf und befürchten Schlimmstes.
Sollen sie, wozu wohl gibt es die HFR? Dass hinter dem Wort genau das steht, was Mann am Stammtisch eben NICHT findet, sollte ihn bedrücken bis nachdenklich stimmen: Frauen sind die besseren Gesprächspartner. Viele Frauen und ein paar Männer, die sich dann anstrengen, liebenswerter zu agieren. Seltsamerweise (oder eben nicht) finden sich dort viele ein, die der angedachten Hilfe durch eine Hausfrauenrevolution eigentlich gar nicht bedürfen, die meisten sind redegewandt, strahlen Charisma und Stärke aus und lieben ihr Leben in der Familie. Was nicht heißt, sie hätten ihre "Leidengenossinnen", die sich dort versammeln, nicht benötigt, denn ab dem Zeitpunkt, wo man sich im Forum aktiv tummelt und Gedanken austauscht, fühlt man sich nicht ganz so einsam und unverstanden mehr: Betroffene unter sich.
Ein Großteil der Forums-Themen erscheint auf den ersten Blick banal, aber es sind kleine Hilferufe, die sofort Unterstützung erfahren - emotionale Streicheleinheiten, die eine Situation, einen Tag oder die Stimmung retten. Man fühlt sich kritisch wahrgenommen, aber im Kreise Gleichgesinnter. Es ist wie in einem Verein, in dem man sich gut aufgehoben weiß.
Natürlich: Der Mensch neigt dazu, sich in Vereinen zu organisieren. Gemeinsam ist man stark, gemeinsam ist das Leid geteilt, die Freude vervielfacht. Eine uralte menschliche Erfahrung: Die Masse macht es möglich. Doch in der Masse geht man ebenso leicht unter, verzettelt sich in vermeintlich sinnvollem Aktionismus, hängt sich an Ideologien, Kampagnen, Demonstrationen. Die Lokomotive braucht Anhänger, um einen Sinn zu erfahren; die Anhänger fahren nicht von alleine. Symbiotisch bereichert man also gleichzeitig sich und das Leben, auf der Suche nach dem ultimativen Entertainment, das es konkret so nicht geben kann, weil die Zeit eine sich bewegende Größe ist, die sich und die Lebensumstände ständig verändert. Die HFR ist ein Kind dieser Zeit.
Foren, auf denen sich Geistesverwandte aktiv tummelten, um ihr eigenes Dasein, ihre Umgebung oder gleich die ganze Welt angenehmer zu gestalten, gab es bereits im alten Rom und später in zeitgemäß abgewandelter Form mit mehr oder minder mächtigem oder sinnvollem Treiben. Es ging dabei niemals in erster Linie darum, den Sinn der Plattform über die angeführten Zielsetzungen zu definieren, sondern in erster Linie darum, sich selbst besser zu fühlen in einer Welt, die auf ihre Erdenkinder immer eine gewisse Verlorenheit ausstrahlte. Den Wert der Veranstaltung ergebnisorientiert zu betrachten hieße denn gleich wieder, deren Mitglieder als Individuum degradiert zu haben.
Genauso soll es eben nicht sein bei der HFR. Es geht um den Rückhalt in einer Interessengemeinschaft. Der Einzelne, das jeweils kleine Problem soll im Vordergrund stehen, nicht die Bewegung an sich. Es geht darum, kleine Nettigkeiten zu erfahren, emotionale Bestätigungen aufzufangen. Die HFR-Website ist vieles: Informationsquelle, aktiver Berater in Lebensfragen, politisches Instrument gegen Misstände, Ort der Selbstbestätigung, Freundestreff, aber eben auch ein virtueller Stammtisch für Frauen, die einmal richtig unter Gleichgesinnten ablästern wollen, vielleicht ohne Bier, aber ob ganz ohne Leckereien, das kann dort jeder selbst entscheiden, auch, ob er diesbezüglich entlarvt werden möchte.
Was die HFR jedoch aus anderen virtuellen Einrichtungen heraushebt, ist der stetig wachsende Kontakt der Mitglieder untereinander, die sich regelmäßig zu realen Treffen organisieren. Das stärkt die Bindung untereinander und hebt sich aus der Masse anonymer Aktivitäten des Internetzeitalters ab. Dass diese Treffen rein äußerlich letztendlich fast haargenau so ablaufen wie die Stammtischabende ihrer männlichen Kollegen, hat niemand erwartet: Hausfrauen sind dort schließlich unter sich, bilden Gruppen, diskutieren Probleme, die einen sachlicher, die anderen weniger nüchtern. Man nimmt, kaum erstaunt, wahr: Die Hausfrau von heute ist bereits derart emanzipiert, dass dieses Wort nicht mehr fallen muss. Wir leben schließlich in einer moderneren Zeit. Bisweilen gibt man sich sogar derart selbstbewusst, dass man sich die Frage stellt: Warum muss es dann eigentlich so etwas wie die Hausfrauenrevolution geben?
Meine Herren! Die Antwort ist doch ganz klar: Nach der Revolution ist vor der Revolution!




Mit freundlicher Genehmigung von Wolgang Hoehn.


Weitere Infos und Kolumnen:
www.montagskolumne.de