Henrik Hieronimus Heimniederlage Es geht alles sehr schnell. Fahrenhorst foult diesen quirligen Brasilianer, nachdem er zuvor einen Fehlpass verursacht hatte. Der Schiedsrichter entscheidet Freistoß. Die Mauer sortiert sich. Es sind knapp siebzehn Meter. Die neunte Minute läuft. Mein Herz pocht wie ein Presslufthammer. Carlos macht sich bereit. Jeder rechnet mit seiner Granate, als Ronaldinho den Ball über die Mauer, ins linke Eck hebt. "Verdammte Affenvisage!" "Ist doch nur ´n Spiel.", sagt June."Und jetzt massiere weiter!" Eine Abmachung zwischen uns. Ich gucke Fußball - June bekommt eine Massage. Ansonsten dreht sie durch. Und es gibt nichts Schlimmeres wie ein keifendes Weib bei erstklassigen Länderspielen neben sich auf der Couch sitzen zu haben. Also knete ich Schultern, Nacken, Rücken und greife gelegentlich nach vorne, an ihre Brüste, um meine Finger zu entkrampfen. Deutschland lässt sich nicht hängen. Es geht hohes Tempo. Nur fünf Minuten später schießt Gerald Asamoah knapp an Cesar´s Winkel vorbei. Es ist ein offener Schlagabtausch. Auf der anderen Seite zieht Ronaldo an Fahrenhorst vorbei, dirigiert den Ball jedoch hoch über Kahns Tor, ins feiernde Publikum. Nur zwei Minuten später pflückt Kuranyi eine von Frings getretene Flanke mit der Brust vom Himmel, schießt mit Rechts in die linke Ecke, bevor die brasilianische Abwehr eingreifen kann. Schreiend rutsche ich auf Knien vor den Fernseher und küsse den flimmernden Bildschirm. Ausgleich. Seufzend richtet June sich auf, langt nach der Weinflasche und schenkt nach. "Du solltest dich mal sehen.", sagt sie Kopf schüttelnd. "Verhältst dich wie´n kleines Kind, nur weil so´n Bursche im Nationaltrikot ´n Tor schießt." Sie nimmt einen großzügigen Schluck, steckt eine Zigarette an, pustet mir Qualm entgegen und deutet auf ihren nackten Rücken."Sag mal, Henry. Du könntest mich doch eigentlich auch mit Kokosnussöl einreiben." "Übertreib´s nicht." "Hab ich dir übrigens schon erzählt, dass Mona im siebten Monat schwanger ist. Ihr Bauchnabel ist bereits draußen. Sie überlegt, wie sie ihr Kind nennen soll. Hat sich´n Buch gekauft..." "Okay, okay, Kokosnussöl." Just in diesem Moment spielt Deisler den Ball zu Kuranyi, dessen Schuss der brasilianische Torwart zur Ecke klärt. Während des Eckstoßes attackiert Huth Cesar und kassiert einen aufbrausenden Tritt von Carlos, was vom österreichischen Schiedsrichter ungeahndet bleibt. "Was machen wir nach dem Fußballspiel?", fragt June. "Herr Gott, darüber denk ich noch gar nicht nach." "Kochst du was Leckeres?" "Pssst!" "Vielleicht Penne mit Gorgonzola?" Meine Hände drücken und kneten; ich gebe mir alle Mühe, nicht ihr Genick zu brechen. Immerhin spielt der Weltmeister gegen den Vize und ich bin ebenso nervös wie damals, Yokohama 2002. "Haben wir noch Gorgonzola?", fragt June. "Keine Ahnung." "Was kochst du, wenn wir keinen mehr haben?" "Ist mir scheißegal." "Was soll das denn jetzt, hm?" Himmel und Hölle. Hatte ich sie schon mal belästigt, wenn Fuck in the City lief? Nein, dann ließ ich sie fleißig Amicelli futtern, Montepulciano d´ Abruzzo saufen, während ihre Hände friedlich im Schoß lagen. DER KOMMENTATOR: "Ronaldo lässt Fahrenhorst aussteigen. Diese Übersteiger beherrscht er aus dem Effeff. Eine Augenweide, dieser weltbeste Stürmer und er ziiieht ab - übers Tor hinaus, meine Damen und Herren! Das hätte der Führungstreffer sein können." "Du hast nur deinen bescheuerten Fußball im Kopf.", wirft June mir entgegen."Jedes Spiel musst du dir ansehen. Das ist eine Krankheit. Du bist total fanatisch." Unbeirrt massiere ich weiter. Das Spiel ist über weite Strecken ausgeglichen, wobei die deutsche Elf das Tempo bestimmt, teils überlegen agiert, wenn man berücksichtigt, dass die brasilianischen Zauberer, drei bis vier ebenbürtige Mannschaften aufzustellen vermag, derweil Deutschland sogar Zweitligisten wie Podolski zum Einsatz kommen lässt. Das Spiel endet 1:1. June geht ins Bad, pisst, putzt Zähne, lässt schließlich die Schlafzimmertür hinter sich ins Schloss fallen. Ordentlich angetrunken folgte ich, schmeiße mich neben sie auf die Matratze und tastete vorsichtig nach ihrem Schinken, den sie mir wie eine uneinnehmbare Festung entgegenhält. |
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