Martin Meggle Höhere Aufgaben Die letztendliche Bestimmung der Hausfrau steht nach wie vor in den Sternen. Manche Hausfrauen glauben, für all die Opfer, die sie zeitlebens erbracht haben, für diese unbeschreiblichen Qualen und dieses Martyrium kommen sie bestimmt in den Himmel. Quasi als Belohnung. Die Wissenschaftler haben da inzwischen Zweifel. Sie räumen zwar ein, dass eine Hausfrau im Prinzip durchaus in den Himmel kommen kann. "Aber nach neuesten Erkenntnissen muss im Himmel dringend geputzt werden", versicherten soeben namhafte Wissenschaftler vom Wiener Machs-Blank-Institut. Die Forscher vom Machs-Blank-Institut haben mit einer entsprechenden Studie eine bahnbrechende Pionierarbeit vorgelegt und stichhaltige Beweise erbracht, dass der Himmel nicht sauber sein kann, sondern dringend geputzt werden müsse. Schon ein Satellit, den man in den Himmel schießt, kommt nicht unverschmutzt zurück. Der Glaube der Hausfrauen, der Himmel sei eine staubfreie Zone, in der man sich ausruhen könne, ist also naiv und entbehrt offenbar jeder wissenschaftlichen Grundlage. Selbst in den entlegensten Regionen des Himmels können heute mit dem Weltraumteleskop Hubble galaktische Spiralnebel ausfindig gemacht werden, in denen es von Staubkörnern nur so wimmelt. Mikroskopischen Laborproben zufolge sind himmlische Staubpartikel besonders hartnäckig und entsprechend schwer zu beseitigen. Fazit: Der Himmel ist eine hochgradig verschmutzte Zone, die zudem unendlich groß ist und insofern nahezu sauberkeitsresistent. In den Augen der Wissenschaftler ist der Schmutz, der auf die Hausfrauen im Jenseits wartet, "signifikant" und nicht zu vergleichen mit dem eher harmlosen Dreck, der schon auf der Erde zu beklagen - und zu beseitigen ist. Hausfrauen sind darum nicht zu beneiden. In der Studie heißt es: "Der Dreck auf der Erde ist faktisch nur ein Vorgeschmack dafür, was für ein außerordentlicher Dreck im Himmel auf die Hausfrauen wartet." Die Machs-Blank-Wissenschaftler weisen ferner darauf hin: "Seit Menschengedenken wird beim Kampf um die besten Plätze im Himmel mit allem möglichen Dreck herum geschleudert und Staub aufgewirbelt." Schon deshalb sei die Behauptung, der Himmel sei sauber, absolut haltlos. "Die Bestimmung der Hausfrau ist nach einer höheren und geradezu zwingenden Logik nur scheinbar der Himmel. In Wirklichkeit ist der Himmel für die Hausfrauen ein Fege-Feuer. Das Fegefeuer heißt schließlich nicht umsonst Fegefeuer. Es wurde allein für die Hausfrauen geschaffen. Wie der Name ja schon sagt", gab der Leiter der Forschungsgruppe bei einer ersten Pressekonferenz zu verstehen. Namentlich will er nicht genannt werden. Offenbar aus Furcht vor Repressalien und Morddrohungen. Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Thesen fanden die Äußerungen der Wissenschaftler in den internationalen Medien rasend Verbreitung. Vor dem Hauptgebäude der Forschungseinrichtung im Zentrum Wiens kam es zu massenhaften Protesten. Nur mit Mühe konnten die Polizeikräfte die Situation unter Kontrolle halten und eine Stürmung des Gebäudes vermeiden. Hausfrauen waren aus allen Erdteilen angereist. Selbst Schweizer AktivistInnen ließen sich nicht lumpen. Sie bombardierten das Machs-Blank-Institut mit Eiern, zückten Fonduespieße und gingen in Stellung. "Machos ab in die Hölle!" skandierten die Frauen gemeinsam. Medienberichten zufolge distanzierte sich inzwischen auch der Vatikan ausdrücklich von den Thesen des Machs-Blank-Instituts. "Über die Bestimmung eines Menschen und über die Reinheit und Ordnung im Himmel bestimmt allein Gott und nicht etwa ein profanes wissenschaftliches Gremium", heißt es aus Rom. Und das gelte auch für Menschen, die als Hausfrau ihre irdische Pflicht des Reinemachens erfüllen. Der Leiter des Machs-Blank-Insituts fühlt sich seit dem ganzen Wirbel um die Thesen seines Instituts völlig missverstanden. Er versichert, praktizierender Katholik zu sein. Außerdem sei keiner der Wissenschaftler ein Macho, Chauvinist oder Frauenhasser. Um zu zeigen, dass er doch ein Freund der Hausfrauen ist und dass er es gut mit ihnen meint, gab er den Hausfrauen in aller Welt einen revolutionären Rat: "Eine Hausfrau sollte sich zu Lebzeiten auf keinen Fall verausgaben. Im Gegenteil: Sie sollte sich tunlichst schonen und bei jeder erdenklichen Gelegenheit kreative Fege- und Putzpausen einlegen, weil die eigentliche Hauptarbeit erst im Jenseits auf die Hausfrau zukommt. Posthum gewissermaßen." Ordnung zu schaffen in himmlischen Zonen sei für jede Hausfrau eine besonders ehrenwerte Aufgabe und nachweislich viel dringender als Ordnung zu schaffen in häuslichen Zonen. Das heißt: Hausfrauen können guten Gewissens und mit dem Segen der Wissenschaft den häuslichen Putzdienst jederzeit verweigern. "Hausfrauen die zu Lebzeiten bis zum geht nicht mehr putzen, sind selbst schuld und handeln unverantwortlich", so der Leiter des Instituts. Denn: "Erst wenn die Hausfrauen gestorben sind, fängt ihre eigentliche Arbeit an." Nach diesen Äußerungen verebbten die Proteste der Hausfrauen gegen das Machs-Blank-Institut schlagartig. Dafür lief jetzt die "Fraktion der vernachlässigten Ehemänner" (FVE) Sturm. Der Leiter des Instituts wurde exkommuniziert. Ich persönlich weiß nicht, was ich von diesem ganzen Skandal halten soll. Ich will und kann mich weder mit der Fraktion der vernachlässigten Ehemänner, noch mit dem Vatikan, den Hausfrauen oder mit den Thesen des Machs-Blank-Institut identifizieren. Schließlich bin ich Junggeselle und als solcher für meinen eigenen Dreck zuständig. Über das Schicksal und die Bestimmung von Hausfrauen kann ich nichts sagen. Höchstens vom Schrubben kann ich etwas erzählen: Gestern nämlich erst habe ich den Boden in meiner Wohnung geschrubbt. Zum ersten Mal seit ich eingezogen bin vor 11 Jahren. Die Aktion war ein Erfolg. Fast schon eine Offenbarung. Am Ende konnte ich zu meiner Verwunderung feststellen, was unter dem Dreck jahrelang verborgen war: Holz. Was Sauberkeit in meiner Wohnung anbetrifft, so befolgte ich stets pflichtbewusst das Prinzip: "Tritt sich fest." Ansonsten hielt ich mich seit meiner Geburt (ohne es zu wissen) an die wissenschaftliche Parole: Kraftsparen und Pausieren für höhere Aufgaben im Jenseits. Warum ich gestern auf die Idee kam entgegen meiner Gewohnheit meinen Boden zu schrubben, ist mir jetzt erst klar geworden. Die Thesen der Machs-Blank-Wissenschaftler hatten mich offenbar inspiriert. Als ich zu schrubben anfing, habe ich mir nämlich vorgestellt, nicht meine versaute Wohnung, sondern den leibhaftigen Himmel zu schrubben. Und ich kann gar nicht sagen wie mich dieser Gedanke beflügelt hat. Plastisch stellte ich mir vor, dass der zentimeterdicke Dreck auf meinem Boden nicht von meinen stinkenden irdischen Latschen stammt, sondern von himmlischen Engelspfoten. Die Arbeit ging mir spielend von der Hand. Tatsächlich habe ich nicht die geringste Anstrengung, sondern zum ersten Mal in meinem Leben ausgesprochene Freude bei der Arbeit verspürt. Phasenweise hatte ich den Wunsch, nie wieder aufzuhören mit dem Schrubben, so glücklich machte mich die Arbeit. Das Ewige Leben und das noch ewigere Glück musste also etwas mit dem Putzen im Himmel zu tun haben. Das war meine Ahnung. Während des Schrubbens geriet ich in Trance. Vielleicht lag es aber weniger an den himmlischen Engelspfoten, deren Spuren ich hingebungsvoll beseitigte, als an den verschiedenen Flaschen Amoniak-Reiniger, die ich auf dem Boden ausgeschüttet und verteilt hatte. Das kochende Wasser, das ich kesselweise auf den Amoniak-getränkten Boden schüttete, tat wohl sein Übriges, um die Atmosphäre zu schwängern und mich zu berauschen. Meine Wohnung verwandelte sich langsam aber sicher in ein ätzendes Dampfbad. Auf diese Weise bekam ich schon frühzeitig eine Ahnung davon, wie höllisch es eines Tages im Himmel bzw. im Fegefeuer stinken und dampfen wird. Ich schwelgte in der himmmlischen Vorstellung eine glückliche Hausfrau zu sein und den Engeln diesen geflügelten Dreckschleudern fröhlich zu dienen. Wunderbar, dachte ich, während mir der Schweiß nur so von der Stirn troff und ich den Himmelsboden leidenschaftlich bearbeitete. Meinen Boden habe ich übrigens ohne Schrubber geschrubbt. Dafür kam Stahlwolle zum Einsatz. Auch mein Schrubbmethode war vermutlich etwas unorthodox. Ich ging beim Schrubben nämlich nicht klassisch auf die Knie. Die devote Kniestellung auf allen Vieren kam für mich nicht in Frage. Sie erinnerte mich ans Krabbeln und an billige Sexstreifen aus den 70er Jahren. Dafür ging ich in die Hocke, in die dezente Schrubb-Hocke sozusagen. In dieser Haltung machte ich zwar keine heldenhafte Figur. Aber besser und aufrechter als die devote Kniestellung war sie in meinen Augen allemal. Die dezente Schrubbhocke war etwas für Zweibeiner wie für mich. Um in die dezente Schrubbhocke zu gelangen, bietet es sich an, zunächst wie im richtigen Leben einen runden Buckel zu machen (keine halben Sachen hier!) und dann langsam in die Knie zu gehen. Die Achselhöhlen ruhen auf den Knien, während die angewinkelten Arme vor den eigenen Augen nicht zur Ruhe kommen. So viel zum Procedere für den Fall, meine Erfahrung stimuliert zur Nachahmung. Am Anfang kam ich mir in dieser Haltung allerdings vor wie ein Affe. Aber dann sagte ich mir: Ein Affe kratzt, rubbelt, scheuert und schrubbt zwar an allem Möglichen herum. Aber ein Affe kann sich unmöglich in eine Hausfrau hinein versetzen, die im Jenseits den Himmel schrubbt. So weit reicht unmöglich die Einfühlung eines Affen. Dieser Gedanke beruhigte mich. Holzdiele für Holzdiele habe ich dann stundenlang den Himmelsboden geschrubbt bis unter meinen Händen kein Dreck mehr da war. Meine Angst vor dem Tod hat sich durch meine Schrubberfahrung praktisch in Luft aufgelöst. Ich wusste, ich war imstande im Himmel selbst den hartnäckigsten Engelsdreck mit Stahlwolle und heißem Amoniak zu entfernen. Ich war nicht zu bremsen. Nach elf Stunden legte ich die Arbeit jedoch nieder. Ich hätte problemlos weiter schrubben können. Doch am Ende siegte die Vernunft. Ich wollte mich nicht verausgaben. Schließlich war ich noch nicht tot. Ich musste mich schonen für höhere Aufgaben. Wie eine Hausfrau, die endlich weiß, was ihr bevorsteht. © Martin Meggle Autor / Journalist Beginnt gerade für solche und andere Texte einen Verlag zu suchen |
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