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Martin Meggle

Der Mammutstrip


Die Männer sind Mammutjäger. Es drängt sie von klein an nach draußen in die freie Wildbahn. Die Frauen sind dagegen nirgends unterwegs. Mammuts interessieren sie nicht. Sie brüten in ihren Höhlen und warten bis endlich alle Mammutjäger aus ihren Bäuchen gekrabbelt sind. Eines Tages, wenn die Mammutjäger groß genug sind, verlassen sie die Höhlen und begeben sich in die Wildnis. Das hat die Frauen immer wieder gefreut, wenn die Männer sich draußen mit Mammuts messen, denn drinnen in den Höhlen wird es dann endlich ein bisschen ruhiger und friedlicher. Das war schon immer so. Manche Männer sehen aber nicht ein, dass sie draußen Mammuts jagen sollen. Sie jagen lieber Mammas drinnen als Mammuts draußen. Mit solchen Mammajägern wusste die Menschheit noch nie etwas anzufangen. Seit die Mammuts ausgestorben sind, treiben sich nämlich fast nur noch solche nutzlosen Mammajäger herum. Zuhause oder in der freien Wildbahn. Das gibt Anlass zu Sorge. Inzest bedroht schließlich jede Spezies. Sogar die Spezies der kopulationsfaulen Waschbären.

Nach dem heutigen Stand der anthropologischen Forschung reicht diese Fehlentwicklung der männlichen Jagdinstinkte weiter zurück als bisher angenommen. Neueste Nachforschungen haben nämlich ergeben, dass bereits in der Steinzeit die Männer, die Mammuts jagten, weniger die Mammuts selbst jagten (die waren ihnen reichlich egal), als in den Mammuts die Mütter. Als die Steinzeitjäger den Mammuts den Bauch aufschlitzten, war aber keine Mamma drin. Sondern nur tierisch stinkende Eingeweide. Trotzdem mussten die Jäger ein Mammut nach dem anderen abschlachten, weil sie die Hoffnung nicht aufgeben wollten, dass vielleicht doch noch in irgendeinem Mammut eine Mamma steckt. Die Mammuts sind also nicht wie man gewöhnlich annimmt an einem Klimawechsel zugrunde gegangen, sondern an einer Verwechslung. Das Entsetzen jenes Mannes, der das allerletzte Mammut erlegte, aufschlitzte und nicht das drin fand, was er erwartete, ist in Worte nicht zu fassen. Höchstens wäre es in Form eines Urschreis auszudrücken.

Wie auch immer. Jedenfalls ist die Theorie der "mutterfixierten Mammutjagd" heute so gut wie bewiesen. Ein Team von Anthropologen entdeckte vor ein paar Wochen in einer Höhle im Süden Mexikos vielsagende Wandmalereien. National Geographic spricht bereits von einem "sensationellen historischen Fund". Die Malereien stammen aus der Steinzeit und gliedern sich in sechs aufeinander folgende Darstellungen oder Bilder.

Bild 1: zeigt eine Steinzeitfrau, der es in ihrer Höhle langweilig wird. Sie kratzt sich am Kopf. Neben der Höhle tummeln sich Männer in der Wildnis auf der Jagd.
Bild 2: Die Frau streift sich zur Abwechslung ein Mammutfell über ihren Körper, verlässt damit die Höhle und lockt eine jagende Männerhorde mit glucksenden Lauten zu sich.
Bild 3: Die Männerhorde umzingelt das scheinbar wilde Tier mit Pfeil und Bogen.
Bild 4: Die Steinzeitfrau lässt die Hüllen fallen. Das Mammutfell sackt mit einem Schlag zu Boden. Die Frau steht splitterfasernackt vor der Männerhorde.
Bild 5: Die Männer schauen sich entsetzt an und rennen panikartig und bleichgesichtig davon. Pfeil und Bogen lassen sie vor Schreck liegen.
Bild 6: Die Frau blickt den Männern grimmig hinterher.

Damit ist klar: Bereits in der Steinzeit suchten jagende Männer Mammas, aber keine Frau. Mit anderen Worten: Bereits in der Steinzeit konnte es eine Frau einem Mann einfach nicht recht machen. Ob mit oder ohne Mammutfell. Den Wandmalereien aus Mexiko gab man den Titel "Der Mammutstrip", den die Experten ablehnen, weil er ihnen nicht wissenschaftlich genug klingt. Doch er scheint sich aufgrund seiner leichten Übersetzbarkeit in der internationalen Öffentlichkeit langsam durchzusetzen. Frauenorganisationen auf den kanarischen Inseln forderten unterdessen schon, den Mammutstrip als Pflichtprogramm in die spanischen Schulbücher aufzunehmen, damit sich die Mädchen nicht mehr wundern müssen, wenn die Buben dauernd vor ihnen davon laufen.


© Martin Meggle

Autor / Journalist
Beginnt gerade für solche und andere Texte (Kinderbuch etc.) einen Verlag zu suchen