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Martin Meggle

Paviane


Paviane sind schon besondere Menschen. Ihr roter Hintern sieht wund aus, er ist es aber nicht. Paviane sind brillante Schauspieler, weil sie der Welt wahlweise mit dem Gesicht oder mit dem Hintern ihre Verwundungen oder Entzündungen vortäuschen können. Anthropologen sind sich sicher, dass der permanente Luftkontakt die schauspielerischen Fähigkeiten der Pavianhintern begünstigt. Sie behaupten, dass die Neandertaler mit ihren nackten Hintern Verwundungen und Entzündungen noch vorgaukeln konnten.

Hintern der Spezies Mensch sind vergleichsweise eindimensional und unkommunikativ geworden. Sie schaffen es bekanntlich nicht einmal ansatzweise, der Welt eine Entzündung oder Verwundung vorzutäuschen. Umso mehr versuchen sie es natürlich mit dem Gesicht. Wenn ein Menschenhintern rot ist, ist er auch entzündet und wund. So einfach ist das.

Die ursprüngliche Ausdrucksvielfalt der Menschenhintern ist im Verlauf der Zivilisation bedrohlich zurück gegangen. Von einer Doppelgesichtigkeit im strengen Sinne kann schon lange nicht mehr die Rede sein. Die Menschen versuchen seither krampfhaft mit einem Gesicht ein doppeltes zu mimen, was sie dann Januskopf nennen.

Das Drama der Unterdrückung der Ausdrucksvielfalt der Menschenhintern beginnt mit der Geburt und der notorischen Verwendung von entzündungshemmenden Wundcremes. Das Auftreten einer Scheinentzündung oder Scheinverwundung wird dadurch im Ansatz unterbunden. Ein Eingriff mit Folgen. Kaum eingeschmiert, wird der Hintern sodann mit Windeln und Pampers eingewickelt. Später dann mit Latzhosen oder Bodies verhüllt. Paviane würden einen Body oder eine Latzhose nie im Leben anziehen. Unterdessen lassen sich die Menschen immer neue Bekleidungsstücke schneidern, um ihren Hintern die Ausdrucksvielfalt und die Luft zu rauben. Das alles ist schuld daran, dass der Mensch stammesgeschichtlich nicht viel mehr ist als die unglücklich kostümierte und unvorstellbar verklemmte Variante eines Pavians.

In Wirklichkeit gehen die meisten Menschen nur deshalb in den Zoo, weil sie auf die Paviane neidisch sind. Weil sie dort sehen können, wie ein Hintern vorbildlich die Funktion eines Gesichts übernehmen kann. Nach einem Zoobesuch versuchen manche Menschen zuhause in Badezimmern oder anderen verschließbaren Orten, eine Entzündung mit ihren Pobacken zu simulieren. Um das zu kontrollieren, schauen sie unter halsbrecherischen Verrenkungen in den Spiegel und üben ihr Arschgesicht. Ein heikles Unterfangen, das das Unglück nur verschärfen kann.
Besonders ehrgeizige Menschen trainieren ihre Pobacken sogar heimlich bei Konferenzen, Sitzungen oder Seminaren. Wenn ein Konferenz-, Sitzungs- oder Seminarteilnehmer auffallend abwesend wirkt (was gelegentlich vorkommen soll), trainiert er mit großer Wahrscheinlichkeit gerade seine Pobacken. Das Training erfordert erfahrungsgemäß maximale Konzentration. Doch selbst hochdotierten Managern, die - wie sie selbst gerne behaupten - "immer ihren Arsch hinhalten" - ist es bislang nicht gelungen, den zivilisatorischen Vorsprung der Paviane wettzumachen.

Die Rückständigkeit in dieser Sache liegt in den Augen von Anthropologen daran, dass die Menschen ihre Hintern grundsätzlich falsch behandeln. Zum einen verstecken sie ihn wie gesagt voller Scham in Hosen und ähnlichem; zum anderen setzen sie sich ständig auf den Hintern, was Paviane nur äußerst ungern tun. Paviane hangeln sich von einem Ast zum anderen und lassen dabei ihren Allerwertesten aufreizend in der Luft baumeln. Ein Mensch würde sich so etwas nie trauen. Erst recht nicht in einem Käfig. Ein Mensch schämt sich für die Ausdruckslosigkeit seines Hinterns. Seine Manie der Sesshaftigkeit hat ihm wunde Hintern beschert und ferner einen traurig bis abwesenden Gesichtsausdruck.



© Martin Meggle

Autor / Journalist
Beginnt gerade für solche und andere Texte (Kinderbuch etc.) einen Verlag zu suchen