Gudrun Schilken Dosenphilosophie Der Morgenrummel ist vorbei. Alle sind hinaus in die Welt. Nur ich bleib hier, in meiner kleinen Küche. Es ist still. Das Radio Blaba und Didelidum stell ich aus. Ich genieße es, nun meine Gedanken zu sammeln. Hier ein Gedanke, da ein Gedanke. Sorgfältig klaube ich sie alle auf und sortiere sie. Mit manchen Gedanken gehe ich ein wenig spazieren (Das ist mir lieber, als wenn meine Nerven spazieren gehen.), andere lasse ich ruhen in einer Hinterhirnecke, um sie bei Gelegenheit wieder hervorzuholen. Ich entspanne beim Gedankenspazierengehen. Das ist spannend. Gedankensurfen nenne ich das. Es ist erstaunlich, welche Sprünge mein Gehirn dabei auf den Denkwellen vollbringt. Eben noch denke ich über ein Kuchenrezept nach, dann fällt mir das Buch „Herr Lehmann“ von Sven Regener beim Aufräumen in die Hand. Herr Lehmann philosophiert darin über den Lebensinhalt. Und das bringt auch mich dazu, mein Leben auf dessen Inhalt zu überprüfen. Ich frage mich , ob die Familie und mein Hausfrauendasein wohl mein Lebensinhalt sind. Lebensinhalt! Welch ein Wort. Ist das Leben eine Dose? Eine Dose, in die ich etwas hineintun muss. Wenn ja, was denn? Muss ich mein Leben füllen? Ausfüllen. Anfüllen. Randvoll mit was? Mit Freude? Wohin denn mit dem Ärger? In eine andere Dose? Weil, Ärger ist schließlich nicht mein Lebensinhalt. Liebe. Ja, Liebe gehört noch hinein in die Lebensdose. Wie groß ist denn die Lebensdose? Hat mancher eine große Lebensdose und der andere eine kleine? Hat gar einer keine Dose, weil er keinen Lebensinhalt hat? Oder hat der nur eine leere Dose? Kann man den Inhalt auch manchmal auskippen, wegkippen? Und eine neue Dose nehmen? Und ist der Sargdeckel auch gleichzeitig der Deckel der Lebensdose? So recht finde ich keine Antworten auf meine Fragen. Doch bevor ich mich weiter in meiner Dosenphilosophie verstricken kann, ist es vorbei mit der Ruhe. Es klingelt. Vor der Tür steht meine Freundin. Sie war geschäftlich in England. Als Mitbringsel drückt sie mir ein quadratisch verpacktes Etwas in die Hand. Geheimnisvoll raschelndes rotes Seidenpapier umschlungen mit einer weißen Schleife entferne ich neugierig, bemüht dies nicht zu hastig zu tun. Dann halte ich sie in der Hand. Eine silberne, englische Teedose. Ohne Inhalt! |
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