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Dorothee Sachinian

Der Arzt deines Vertrauens?


Frisch umgezogen geht sie in der neuen Stadt auf die Suche nach einem Hausarzt.

Sie leidet an einer vererbten Schilddrüsenunterfunktion, ist seit fast 18 Jahren immer in Behandlung und muss nun jemanden finden, der sie untersucht und ihr die nötigen Tabletten verschreibt. Auch plagt sie immer wieder Eisenmangel. Auch dies eine Erscheinung, die nicht immer vorhanden ist, aber unter Kontrolle bleiben sollte.

Da sie durch die große Familie recht bald einen großen Bekanntenkreis hat, fragt sie die eine oder andere Mutter, wo sie denn hingeht und wie diese sich dort aufgehoben fühlt.

Gesucht wird ein zuverlässiger Arzt, der wirklich gut diagnostiziert. Er sollte vielleicht auch nach den Kindern sehen, denn der Kinderarzt hier im Ort ist nicht nach ihrem Geschmack.

Vielleicht macht er auch Hausbesuche? - Nur im Notfall natürlich, denn die Kinder sind noch klein...

Eine Französin schließlich gibt ihr den Tipp: Da ist einer, mit dem kann sie sich prima unterhalten, er hilft ihr, macht die erforderlichen Hausbesuche und ist sehr nett.

Ein Frauenversteher? Gibt`s die? Braucht sie den?

Na, jedenfalls erst mal einer, zu dem sie hingeht, denn die Tabletten sind bald alle...

Der erste Termin beim "Neuen": Die Arzthelferinnen sehr nett, Organisation klappt prima und sie landet im Wartezimmer. Es sitzen nur wenige Leute drin, aber die Wartezeit wird dermaßen lang, dass sie Angst hat, nicht rechtzeitig zu Hause zu sein, wenn das erste Kind aus der Schule kommt. Sie ist dran.

Der Arzt ist schlank, schon recht grauhaarig, humorvoll und erzählt gerne.

Sie geht später nach Hause, hat ein Rezept in der Tasche und einen Termin für die Blutabnahme. Außerdem verfügt sie über Kenntnisse s e i n e r sämtlichen Familieninterna.

Als die Blutabnahme ausgewertet ist, gibt ihr der Arzt Bescheid, dass ihre Werte so gut sind, dass sie weniger Schilddrüsentabletten schlucken soll und kein zusätzliches Eisen benötigt.

Sie freut sich, dass nach 18 Jahren endlich eine Besserung eingetreten ist.

Einige Zeit später bemerkt sie, dass es ihr nicht gut geht: Sie ist vollkommen übermüdet, aber dass kann ja auch daran liegen, dass der Umzug eben doch nicht so einfach wegzustecken gewesen ist. Sie kann sich nicht mehr konzentrieren, die Kinder sitzen mit ihr am Tisch und fragen 4x dasselbe hintereinander, doch Mutter gibt keine Antwort oder hat schon wieder vergessen, worum es ging...

Beim Kämmen hat sie Büschelweise Haare in der Hand und die Symptome des Eisenmangels werden ihr wieder klar: Sie fängt dann immer wahllos zu essen an. Sie sucht etwas und isst, obwohl sie satt ist und nimmt immer mehr zu.

Doch der Arzt, dem sie das so schildert, sagt nur, dass sie sich täusche und ob sie psychisch in guter Verfassung sei? Er habe außerdem noch nie eine Frau mit Glatze gesehen.

Uups?????

Noch am selben Tag, geht sie einfach zu einem anderen Arzt, sie lässt sich einen dringenden Termin geben und nimmt den nächstbesten Arzt (-es konnte ja nur noch ein besserer sein!), der seine Praxis in der Nähe hat, weil sie dann nicht so weit laufen muss und die Kinder besser "organisiert" bekommt. Auch dieser Arzt nimmt Blut ab, hört ihr in Ruhe zu und hat 2 Tage später die Auswertung auf dem Tisch vor sich liegen.

Diesmal ist es kein Eisenmangel mehr. Dieses Mal ist es eine handfeste Anämie und ihre Symptome waren durchaus richtig eingeordnet. Dazu kam die Unterversorgung mit dem Schilddrüsenhormon und sie wurde zum Zombie.

Fazit: Die Französin gab mit Sicherheit nur diesen Tipp weiter, weil sie bei diesem Arzt in ihrer Muttersprache reden konnte, denn der Mann ist halber Franzose! Sein machohaftes Verhalten Frauen gegenüber ist unverschämt und ignorant. Doch wahrscheinlich merkt es diese Französin überhaupt nicht mehr, denn so einen hat sie auch als Ehemann zu Hause...


So sehr im Stich gelassen wurde die Mutter bei einem Arzt noch nie, nur bei diesem.

Mit dieser herben Fehldiagnose hätte sie zum Anwalt gehen können, doch dazu fehlte ihr die Kraft.

Es hat viele Monate gedauert, bis sie sich wieder wohl gefühlt hat. Gedächtnislücken aus dieser Zeit blieben.