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Petra Plaum

Eins, zwei, drei... Großfamilie

Drei Kinder in 15 Monaten und wie ich unvollkommene Hausfrau damit fertig werde
Ein Erfahrungsbericht von Junge Familie-Autorin Petra Plaum


Wenn ich mit meinem Wagen die Straßen unseres Dorfes entlang kurve, sind mir die Blicke aller Passanten sicher. Mein Wagen ist riesig im Vergleich zu normalen Kinderwagen: 1,50 m lang und 78 cm breit. Und er ist gut bestückt mit gleich drei kleinen Mädchen. "Alles Ihre?" fragen Fremde gerne, oder "Sind das Drillinge?" – "Alles meine, aber die hinten links ist fünfzehn Monate älter als ihre Schwestern", antworte ich dann, schiebe mein Gefährt weiter und unterdrücke ein Ächzen. Schwer ist der voll besetzte Drillingswagen nämlich leider auch – gute 50 Kilo.
"Is’ das?" fragt Pauline, 22 Monate, von hinten rechts. "Katze, auuuu!" jauchzt ihre Zwillingsschwester Johanna ganz vorne. "Ja, Johanna, eine Katze, die macht miau", ruft Amelie, mit gerade drei Jahren schon meine Große. Alle grinsen mich an, der Wagen schiebt sich plötzlich viel leichter. Und ich kann es wieder mal kaum fassen: ich habe drei süße, gesunde Töchter! ICH – bei der noch vor fünf Jahren die Weichen klar auf "Karriere" standen, nicht auf "Familie". Damals war ich Fernsehjournalistin, mit meiner Arbeit verheiratet, mindestens fünf Abende die Woche auf Achse und sah meine chaotische Singlewohnung eigentlich nur zum Schlafen. Dann kamen Johannes, die große Liebe, der Kinderwunsch, Wunschkind Amelie und schon nach einem halben Jahr die Idee, man könnte doch bald ein zweites Baby... Tja. Bevor wir richtig darüber nachdenken konnten, war ich bereits schwanger – obwohl ich Amelie noch ziemlich häufig stillte. Und gleich mit Zwillingen, obwohl ich keine Hormone geschluckt hatte und Mehrlinge bei uns nicht in der Familie liegen. Soweit zu den Ammenmärchen.
Aber wer sollte drei Kleinkinder bewältigen, wenn nicht eine stressresistente Person wie ich? So tröstete ich mich die ganze Schwangerschaft hindurch, die recht problemlos verlief. Pauline und Johanna kamen zwölf Tage vor Termin natürlich zur Welt, innerhalb von sechs Minuten. Die ganze Geburt dauerte kürzer als ein Friseurtermin mit Strähnchen. "Zwei Töchter, und beide Güteklasse A", lobte die Hebamme, mein Mann und ich schwebten auf Wolke sieben.
Dann brach der Alltag über uns herein. Drei Winzlinge umsorgen, das hieß: täglich im Durchschnitt 24-mal wickeln. Fünf Mahlzeiten für Amelie zubereiten. Viel waschen und oft einkaufen. Die Babys bis zu 14-mal stillen. Zwischendrin pumpte ich Milch ab, damit auch mein Mann mal aushelfen und ich länger als zwei Stunden am Stück schlafen konnte. Gebrüllt wurde natürlich auch – die Zwillinge waren keine Schreibabys, aber wenn drei Kinder immer mal wieder schreien, reicht das durchaus... Tage und Nächte flossen ineinander, und ich revidierte meine Meinung: ich war gar nicht so belastbar, wie ich mir immer eingeredet hatte, und brauchte ja doch jede Menge Schlaf! Oft flossen die Tränen, manchmal schrie ich wegen Kleinigkeiten herum.
Die ersten sechs Wochen war ich zum Glück immer nur wenige Stunden mit den Kindern allein: eine von der Krankenkasse finanzierte Haushaltshilfe half drei Wochen lang. Dann reisten die Omas an, die leider beide weit weg wohnen. Zuletzt bekam mein Mann etwas Urlaub. Schließlich hatte ich mein Trio einigermaßen im Griff: ich stillte die Babys getrennt, während ich eines an der Brust hatte, lag Amelie in meinem anderen Arm und ließ sich Geschichten vorlesen. Pauline und Johanna sind zweieiig, optisch und im Wesen völlig verschieden und gewöhnten sich bald an, tagsüber zeitversetzt zu schlafen, zu essen und Streicheleinheiten zu verlangen. Wie praktisch, denn zwei Hände hat der Mensch... Oft trug ich auch einen Zwilling im Beutel vor meinem Bauch, während ich mit Amelie spielte. Für den Großputz und das Bügeln heuerte ich eine Hilfe auf eigene Kosten an. Ich freute mich jeden Tag, in einer Zeit zu leben, in der es Wegwerfwindeln und Feuchttücher, Waschmaschinen und Trockner, Gläschen für hungrige Kleinkinder und Tiefkühlkost für Eltern gibt.
Wann immer ich genug Energie hatte, packte ich alle drei ein und flüchtete nach draußen. In der frischen Luft versendet sich auch das lauteste Gebrüll, und ich lernte nach und nach andere Mütter kennen. Wir waren ja erst einen Monat vor Geburt der Kleinen in dieses Dorf, eine größere Wohnung gezogen und mussten uns zu allem auch noch einleben.
Ich entschied für mich: Erst kommen die Kinder, dann Johannes und ich, zuletzt der Rest der Welt. Lange blieb schon für uns Eltern kaum eine freie Minute. "Wir sind kein Ehepaar mehr, sondern eine Baby-Aufzucht-Station", jammerte ich einmal. "Aber guck doch mal, wie süß sie sind", tröstete Johannes mich. Tatsächlich hatten wir ja nicht nur die Arbeit und den Stress, die Erkältungen, Schreistunden und Trotzattacken dreifach, sondern auch alles Schöne am Kinderkriegen: das Lächeln jeder Tochter, das erste Krabbeln, die ersten Schritte, erste Worte, erste Küsschen. . . Im Nachhinein scheinen unsere 22 Monate als Großfamilie sehr schnell vergangen zu sein. Nun haben wir keine Babys mehr, sondern drei muntere Kleinkinder, die es schon mal ein paar Stunden mit Babysittern aushalten, alleine essen, gerne miteinander spielen und auch streiten.
"Böse Johanna!" keift Amelie und schubst Johanna vom Hochstuhl. Ich fange Johanna auf, die schnappt sich Amelies Hand und beißt herzhaft hinein. Amelie schreit, ich schimpfe Johanna, Johanna rennt davon, stößt dabei mit Pauline zusammen, alle beide gehen aufheulend zu Boden – und ich brülle erst mal los. Fühle mich am Ende, direkt nach dem Frühstück. Ich könnte sie alle drei aus dem Fenster werfen!!! Müslispritzer verzieren Tisch, Boden und aller Kinder Pullis. Spielzeug liegt herum – wozu hab’ ich das gestern Abend eigentlich noch weggeräumt? Ich setze mich erst mal auf den Boden und atme tief durch. Da laufen drei kleine Menschen auf mich zu, umarmen mich, strahlen mich an. Ich vergesse die Unordnung um mich und lache erst mal los. So hat jeder Tag seine schlimmen und seine schönen Momente. Das Modell "Drei Kinder in 15 Monaten" würde ich trotzdem nicht weiterempfehlen. Wobei -- wenn Sie es versuchen wollen, in etwa 15 Monaten hätte ich einen Drillingswagen abzugeben...