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Petra Plaum

Frauentagtraum


Es ist Montag, der 8. März, und ich sitze beim Zahnarzt. Dieser Tag ist international als Frauentag bekannt, doch heute bezahle ich einen Mann dafür, dass er mich quält – gemein eigentlich. Ich mache das Beste draus: lasse mir neben jede meine Zahnbaracken eine Spritze setzen, genieße die ungewohnte Ruhe – auf die lauten Kinder passt mein Mann daheim auf –schalte das Körpergefühl aus und mein Kopfkino an. Da läuft ein schöner Film:

"Erfahrene Hausfrauen für Spitzenpositionen gesucht". Vergnügt schmökere ich die Zeitung, so vergnügt, wie nur eine Hausfrau dies tun kann, die jahrelang frühestens nach dem Kinder-Zu-Bett-Bringen zum Lesen kam. "Hast du das schon gelesen?" Ich winke meinem Gatten zu, der mit einer Tasse Kaffee für uns beide um die Ecke kommt. Er muss zurzeit Überstunden abgleiten und unterstützt mich im Büro wie auch im Haushalt. Eine Perle von Mann! Aufmerksam studiert er den Artikel. "Wurde ja auch Zeit, dass die Wirtschaft merkt, wie viel Wissen, Talent und Vielseitigkeit da brach liegen", meint er schließlich lächelnd. "Schade, dass vor ein paar Jahren in unserer Firma Teilzeit oder gar Elternzeit für Väter undenkbar war. So rund um die Uhr die Kleinen, gut, das wär’ mir schon zu nervig gewesen, und ich liebe ja meinen Beruf – aber so zwei Tage die Woche..." Wir grinsen uns an, schlürfen den Kaffee und denken an die Kinder. Wie gut sie sich entwickeln. Wie viel Spaß sie in der Schule haben, etwas weniger Spaß vielleicht am Regelunterricht, aber umso mehr in der Projektarbeit, bei Kunst und Sport am Nachmittag. Sich vorzustellen, diese Ganztagsschule wäre nie entstanden – wir ganzen Mütter und Lehrer hätten niemals beschlossen, gemeinsam eine qualifizierte, kindgerechte Nachmittagsbetreuung auf die Beine zu stellen...

Mein Mann und ich beschließen, jetzt sofort etwas Ordnung zu schaffen, und plaudern über die Staublappen hinweg über alte Zeiten. "Als du wieder Geld verdienen wolltest, das war schon heftig", erinnert sich mein Mann. "Wie die Chefs erst mal alle so taten, als hättest du jahrelang nur herumgehangen... unglaublich, dabei hast du drei Kinder ganz alleine großgezogen und nebenbei den Haushalt, unsere Finanzen, unser soziales Leben gemanagt." – "Jaja, ich erinnere mich noch gut an die vielen Bewerbungen, die ich schrieb, nachts, wenn die Kinder endlich schliefen", seufze ich. "An die Fortbildungen, zu denen ich am Wochenende fuhr. Und du musstest dann die Bude in Schuss halten, nach deiner 60-Stunden-Woche. Hinterher waren wir beide fix und alle..." – "Undenkbar, und jetzt ist das alles so einfach. Seit diesen Studien, die besagen, dass Hausfrauenjahre die ganze Familie und damit die Staatsfinanzen gesund erhalten, gehört dieser Beruf ja quasi zum guten Ton". – "Hähä, denk nur an die ganzen Männer, die nun daheim bleiben wollen – jetzt, wo’s für die Elternzeit finanziellen Ausgleich gibt und wo endlich gute Betreuungsangebote schon für Kleinkinder da sind. Seit die neuen Putzroboter so billig sind, erledigt sich der gröbste Dreck ja eigentlich eh von selbst". – "Darauf ein Stück kalorienfreie Schokolade!" Mein Mann und ich grinsen uns an. Die letzten Jahre haben wirklich tolle Neuerungen hervorgebracht.

Spontan entschließen wir uns dann, spazieren zu gehen, die Babies der Nachbarin mitzunehmen und noch etwas einzukaufen. Die Nachbarin strahlt, sie hat keine Verwandten vor Ort und kein Geld für eine Haushaltshilfe. Die Babies strahlen auch, und so drehen wir fröhlich unsere Runde. Die Sonne scheint auf uns, die Vögel zwitschern, das Leben ist schön. "Grüß Gott", rufe ich Matze zu, der eifrig Unkraut jätet. "Ist Tilly da?" – "Iwo, schon wieder auf Geschäftsreise", seufzt der Nachbar. "Die gute Nachricht: meine Manager-Gattin hat die Kinder mitgenommen. Die schlechte: das Aupair ist auch dabei". – "Und, ist jetzt doch herrlich ruhig bei Euch, oder?", muntere ich Matze auf. Er rollt mit den Augen: "Ja, aber die Tiefkühlkost kommt mir so langsam zu den Ohren raus. Höchste Zeit, dass ich von deinem Mann kochen lerne!" Tim schlendert vorbei, ein Junge aus der Nachbarschaft, der freundlich grüßt. "Und, was macht die Mittlere Reife?" fragen wir ihn. Tim strahlt. "Super! Bald liegt die Penne hinter mir! Und dann lerne ich Erzieher, das wird cool!" – "Hat deine Freundin schon eine Lehrstelle?", möchte ich wissen. "Ja klar, beim Schreiner hinter der Kirche. War ihr Traumbetrieb", grinst Tim. Nett, die Jugend von heute, denke ich und wir schlendern weiter.

"Huhu!" winkt Witwe Eisele, wie immer fröhlich am Garteln. In ihrem Vorgarten prangt ein Schild: "Bayerische Hausfrau des Jahres 2010". Sogar die Zeitung war deswegen schon hier, und Frau Eisele ist stolz wie Bolle, auf ihre alten Tage ihre Talente noch anerkannt zu kriegen. Zu denken, da hat sie fünf Kinder großgezogen, dem Mann den Rücken frei gehalten, in der Hoffnung, dass er mal gut Geld machen würde, das Haus tipptopp in Schuß gehalten, die besten Marmeladen weit und breit gekocht, nebenbei in vier Vereinen ehrenamtlich mitorganisiert – und all die Jahre hat’s keiner so richtig geschätzt. Denn nach dem Tode ihres Mannes, der verstorben war, ohne dass das Geld richtig floss, kam eine kärgliche Rente und drei der fünf Kinder steckten noch in der Ausbildung. Frau Eisele suchte erst mal verzweifelt eine Stelle, aber nach 22 Jahren ohne Erwerbsarbeit, im Alter von 58, ohne Englisch und Computerkenntnisse – "vergessen Sie’s", meinte der Berufsberater nur. Jetzt ist Frau Eisele der Star im Dorf, die Jungen buchen Haushaltskurse bei ihr, die anderen Älteren suchen ihre Nähe und für ihre Marmeladen reisen Fans aus dem ganzen Lande an. Es gibt ja nun auch endlich mehr Rente für Frauen, die lange zuhause geblieben sind und keinen Mann mehr haben. Oh, und natürlich auch für Männer, die für die Kinderbetreuung den Brotberuf aufgaben und nun alleine sind, denn von denen wird’s in Zukunft wohl auch immer mehr geben. "Frau Eisele, sollen wir wie immer drei Liter Milch und fünf Pfund Kartoffeln mitbringen?" fragen wir. - "Klar, lieb, danke!" meint sie freudig, und dann "hallo?"

"Hallo? HAAAAALLO!" Oh! Weg ist Frau Eisele, ich befinde mich wieder im Zahnarztstuhl. "Sie dürfen den Mund wieder zumachen. Fest zubeißen, damit ich sehen kann, ob die Füllung so passt." Ach, lieber Herr Doktor, diesmal hätt’s ruhig länger dauern dürfen. Hat ja gar nicht wehgetan! Noch beschwingt von meinem Tagtraum, laufe ich die 300 Meter nach Hause. Sage hallo zum Nachbarjungen, der ganz unglücklich dreinschaut – Erzieher würde er gerne werden, doch die Eltern drängen auf eine Schreinerlehre, "was Gescheites", wie sie finden. Grüße die einsame alte Dame im halbverfallenen Häuschen an der Ecke, die spät mit dem Mann hierherzog und die niemand so richtig kennt. Beobachte zwei Nachbarinnen, die scheinbar um die Wette Wäsche aufhängen – emsig, fast verbissen, akribisch darauf achtend, dass auch jeder Kleidungszipfel parallel zur Leine zum Liegen kommt. "Hallo, wie geht’s den Kindern noch mal?" fragt die eine. "Drei Mädel, gell? Naja, macht auch nix, Hauptsache, gesund sind’s, oder? Die Buben bringen’s ja später von alleine". – "Wo sind die Kinder denn?" fragt die andere. "Beim Mann, ich war beim Zahnarzt". -- "Toll, Ihr Mann schafft das? Na, dann sagen’s dem Chef mal liebe Grüße, gell?" meint Nachbarin eins. Seufzend hetzte ich weiter. Schließlich soll der Chef ja nicht zu spät zu seinem Chef kommen, nur, weil er babysitten musste, nicht wahr?