Karin Schulze
Paulchen und der Sonntagskuchen
Paulchen, ein kleines braunes Eichhörnchen, saß auf dem Ast einer hohen Tanne im Garten von Familie Baumann. Mit seinen großen, braunen Augen schaute er sich neugierig um. Von hier oben hat er eine tolle Aussicht. Er konnte sehen, dass Papa Eichhörnchen, direkt im Garten unter sich, nach Blüten und Knospen suchte. Paulchen wusste ganz genau, warum Papa so fleißig war. Mama möchte einen Sonntagskuchen backen, und hat deshalb Papa beauftragt, die Zutaten dafür zu sammeln.
Obwohl Mutti und Papa ihm streng verboten hatten, den schützenden Baum zu verlassen, folgte Paulchen seinem Vater heimlich. Er versteckte sich hinter einer dichten, duftenden Rosenhecke und beobachtete Papa Eichhörnchen beim Blütensammeln. Das kann ich auch schon, dachte Paulchen, als er sah, wie sein Papa ganz schnell ein paar Knospen von den vielen bunten Blumen im Garten abpflückte, und in einen kleinen Rucksack steckte.
Paulchen blieb hinter seinem Strauch versteckt und wartete, bis sein Papa den Rucksack gefüllt hatte. Er wollte lieber nicht riskieren, dass Papa ihn entdeckte.
Endlich hatte Papa seinen Rucksack gefüllt. Paulchen konnte beobachten, wie sein Vater, ganz schnell mit seiner schweren Last, von Ast zu Ast nach Hause lief. Paulchen beschloss, auch Blüten für den Sonntagskuchen zu sammeln. Ohne sich noch einmal umzusehen hoppelte er in den großen Garten und kostete erst einmal von den Blüten und Knospen der vielen bunten Sträucher und Blumen. Längst hatte er schon wieder vergessen, dass er seinen Eltern versprochen hatte, nicht mehr allein in den Garten zu laufen. Seine Eltern hatten ständig Angst um ihn, da Familie Baumann einen kleinen weißen Hund - der Benny heißt besitzen, der Eichhörnchen, Katzen und Vögel, nicht leiden kann.
Sorglos hopste Paulchen zur großen Terrasse, direkt vor dem Haus, um zu schauen, ob er dort etwas zu naschen findet. Auf der Terrasse standen immer so schöne bunte Blumentöpfe, deren Blüten ganz köstlich schmeckten. Paulchen stellte sich aufrecht hin und schnüffelte mit seiner kleinen Nase. Hier riecht es aber lecker, flüsterte er ganz aufgeregt. Schnell machte er ein paar kleine Sprünge und landete fast in Bennys Futternapf, der mitten auf der Terrasse stand. Ein paar Spatzen, die soeben noch auf dem Rand des Futternapfes saßen und durch Paulchens Erscheinen einen gewaltigen Schreck bekommen hatten, flogen wütend und laut schilpend in die Luft. Paulchen schaute ihnen kurz hinterher: Was kümmern mich die frechen, kleinen Piepser, dachte er, als er sich über den Napf beugte. Schnell griff er hinein. Dass schmeckt ja lecker, stellte Paulchen fest, als er an einem kleinen getrocknetem Fleischbällchen knabberte.
Plötzlich hörte er wütendes Gebell hinter sich. Benny, der kleine weiße Spitz, der in seiner Hütte geschlafen hatte, kam wütend kläffend und ganz schnell auf seinen Futternapf zugelaufen. Sein weißes Fell sträubte sich vor Wut. Immerhin war das sein Essen, dass er auf gar keinen Fall mit einem vorwitzigen, kleinen Eichhörnchen teilen wollte. Erschrocken ließ Paulchen das Fleischbällchen fallen. Blitzschnell hopste er in den Garten zurück. Sein kleines Herz schlug ganz doll vor Angst. Auweia, der beißt mich, schluchzte Paulchen ängstlich, als er den wütenden Benny hinter sich laut bellen hörte. Hätte ich nur auf Mama gehört, jammerte er. Wenn Papa doch hier wäre, keuchte er atemlos vom schnellen laufen. Benny war ihm dicht auf den Fersen.
Endlich erreichte Paulchen einen rettenden Baum. Hier fühlte er sich sicher, weil er wusste, dass Hunde nicht klettern können. Schnell hopste er auf einen dicken Ast und machte eine kurze Pause zum Luftholen. Sein kleines Herz hämmerte immer noch ganz aufgeregt. Benny sprang wütend und laut kläffend am Stamm hoch. Paulchen hatte jetzt keine Angst mehr. Langsam und um Benny zu ärgern, hopste er von Ast zu Ast. Ab und zu schmiss er kleine Zweige nach Benny. Der Hund würde immer wütender und kläffte noch lauter. Aus der Ferne hörte Paul, wie Mama nach ihm rief: Paulchen, komm sofort nach Hause! Warst du etwa auf der Erde? Mama Eichhörnchens Stimme klang ganz schön aufgeregt, stellte Paulchen schuldbewusst fest.
Oh, oh, Mama hat bestimmt alles gesehen, jetzt gibt es Schimpfe, war sich Paul ganz sicher. Schnell pflückte er noch einen Tannenzapfen und warf ihn auf Benny, der jaulend und den Schwanz einziehend, vom Baum weglief. Getroffen, freute sich Paulchen, jetzt aber schnell nach Hause, sonst bekomme ich wirklich Ärger mit Mama.
Mama Eichhörnchen erwartete ihn schon. Ihre Augen blitzten zornig: Habe ich dir nicht verboten, auf die Erde zu hopsen? Ich bin ganz traurig, weil du nicht gehorchst. Benny hätte dich beißen können. Schuldbewusst senkte Paulchen seinen Kopf. Ich wollte ja auch gar nicht so weit nach unten, aber meine Füße sind ganz von allein gelaufen, verteidigte er sich lahm. Dann ist mir eingefallen, dass ich auch Blüten für den Kuchen sammeln könnte. Aber Benny hat mich nicht gelassen, flunkerte er in seiner Not. Mama Eichhörnchen schaute ganz gerührt zu ihrem kleinen Sohn. Papa hat soviel Blüten und Knospen gesammelt, da kann ich uns einen ganz großen Kuchen backen. Versprich mir, dass du nie wieder ohne uns zu fragen in den Garten gehst. Gehorsam nickte Paulchen mit dem Kopf. Versprochen, Mama, ich frage jetzt immer, wenn ich in Bennys Garten möchte.
Paulchen war richtig froh darüber, dass seine Mutter nicht von ihm verlangt hatte, alle Gärten in der Umgebung zu meiden. Morgen wollte er nämlich im Nachbargarten nachschauen, ob es dort auch so köstliche Fleischbällchen gab.