Karin Schulze
Alles läuft nach Plan
Der Tag hatte böse angefangen. Schon am frühen Morgen hatte nichts geklappt. Manchmal wird ein Tag, der so schlecht begonnen hat, im Lauf der Stunden noch ganz erträglich. Diesmal wurde es immer schlimmer. Dieser Samstagabend schließlich versprach alles in den Schatten zu stellen.
Gleich morgens nach dem Aufwachen um sieben Uhr, merkte ich, dass ich schlechte Laune hatte. Gestern abend bin ich völlig fertig ins Bett gefallen, ohne die Spuren der Geburtstagsfeier beseitigt zu haben. Ich hatte einfach keine Lust mehr, zumal die Party von mir blitzschnell organisiert werden musste. Mein Göttergatte hatte zum Geschäftsessen geladen. Er rief mich im Büro an: Schatz könntest du bitte,...du weißt doch,...es ist mir außerordentlich wichtig! Natürlich konnte Schatz. Wie immer. Trotz Volltagsjob, Haushalt, zwei Kindern und einem Hund, der natürlich Gassi muss, wenn es einem zeitlich nicht in den Kram passt.
Ein Blick auf meinen Angetrauten der noch selig neben mir schnarchte, genügte mir, um zu erkennen, dass er für sich beschlossen hatte, nicht vor elf Uhr aufzustehen. Mürrisch drehte ich mich noch einmal auf die Seite, um mit meinem Schicksal als Frau zu hadern. Mir war klar, dass ich wieder allein das Chaos in der Wohnung zu beseitigen hatte.
Gerade als ich mich noch einmal so richtig gemütlich in meine Decke wickeln wollte, ertönte ohrenbetäubendes Kreischen aus dem Kinderzimmer.
Oh nein, dachte ich, nicht schon wieder, müssen sich die beiden am frühen Morgen schon streiten? Unsere Tochter Lara, hatte von einem Geschäftspartner meines Mannes, nachträglich zu ihrem sechsten Geburtstag einen Roller bekommen. Dem Gebrüll nach zu urteilen, stritt sie gerade mit Timmy, unserem achtjährigem Sohn, um ihr neuestes Geschenk. Schlaftrunken machte ich mich dabei, aus meinem Bett zu kriechen, um das Kinderzimmer aufzusuchen. Meine Augen waren noch zur Hälfte geschlossen, weil ich hoffte, wieder ins Bett kriechen zu können, wenn ich die kleinen Monster zur Ruhe gebracht hatte. Aber es gibt keine Gerechtigkeit für müde Mütter. Wie immer, stand die hölzerne Spielzeugkiste meiner Kinder, mitten im Weg ihres kaotischen Zimmers. Da ich noch barfuss war, tat der Zusammenstoß mit dem harten Holz besonders weh. Vor Schmerz war ich hellwach. Nachdem es mir gelungen war, die beiden Streithähne zu trennen, humpelte ich ins Bad, meinen Fuß zu kühlen. Aus dem Schlafzimmer konnte ich das ungehaltene Fluchen meines Mannes hören. Timmy und Lara, hatten ihn geweckt. Laut gähnend und noch völlig verschlafen stand mein Held in der Badezimmertür. Sein Gesicht sprach Bände. Meistens ist er ja ein Gemütsmensch, aber wenn er in seinem Schlaf gestört wird, ist er den ganzen Tag nicht zu gebrauchen.
Ich brauchte auch gar nicht lange zu warten bis er seiner Wut freien Lauf ließ
Ich sage dir ja immer, dass die Kinder nicht ohne aufzuräumen ins Bett gehen sollen, du musst ihnen ja alles durchgehen lassen. Irgendwann brichst du dir noch einmal das Genick. Wozu habe ich eigentlich einen Reinigungsplan für ihr Zimmer aufgestellt? Muss ich mich denn um alles selber kümmern?
Jetzt geht das wieder los, dachte ich bei mir. Mein Mann und seine Pläne: In jedem Zimmer unserer Wohnung hängt ein sorgsam durchdachter Plan. Vom Frühstück bis zur Nachtruhe, ist alles fein säuberlich durchorganisiert. Sogar der Hund hat seinen Plan.
Missmutig schleppte ich mich durch den Vormittag. Nichts wollte so richtig klappen. Die Kinder nörgelten und stritten weiter miteinander. Mein Mann pflegte seine schlechte Laune, die ihren Höhepunkt darin erreichte, als er mit dem Staubsauger, den er wütend nach sich zog, die Bodenvase und zwei auf dem Fußboden stehende Blumentöpfe umriss. Laut fauchte mein Mann mich an: Schatz wo ist unser Telefonplaner? Ich rufe jetzt deine Mutter an. Das geht ja heute hier so nicht weiter, einer muss ja schließlich für Ordnung sorgen.
Aus Erfahrung wusste ich, dass es in seinem jetzigen Zustand sinnlos war, mit ihm zu streiten. Meine Mutter war die letzte, die ich hier noch gebrauchen konnte. Wo sich die beiden sowieso nur den ganzen Tag lang stritten. Aber das war typisch für meinen Mann: Wenn er nicht ausgeschlafen ist, wütet er so lange in der Wohnung rum, bis er Schaden anrichtet - und ich ihn dann völlig entnervt in den Keller schicke. In seinem Hobbyraum beruhigte er sich dann meistens auch wieder ganz schnell. Also schickte ich ihn in den Keller: Für heute hatte er in der Wohnung genug zerschlagen.
Am späten Nachmittag klingelte die Nachbarin, um unsere beiden Kinder zur Pyjamaparty einzuladen. Was war ich froh: Die beiden stritten und zankten heute ständig miteinander. Jetzt konnte der Tag eigentlich nur noch besser werden. Ich machte mich dabei, die Wohnung aufzuräumen und einen Kuchen für den Sonntag zu backen. Beim Kochen und Backen verlor sich meist meine schlechte Stimmung.
Später als der Kuchen im Rohr war und ich die Küche aufräumte, bemerkte ich, dass ich vergessen hatte, die Eier unterzurühren. Fluchend schaltete ich den Herd aus, humpelte ins Schlafzimmer und legte mich mit einer Schachtel Weinbrandbohnen auf mein Bett. Was für ein Tag! Aus dem Keller hörte ich lautes Bohren und Hämmern. Mein Mann war in seinem Element. Auch gut. Dann konnte ich mich etwas ausruhen und danach einen neuen Kuchen backen. Mein Zeh schmerzte immer noch. Seufzend zog ich mir meine Decke über die Ohren, um mich selber zu bemitleiden. Mir fiel langsam aber sicher der Zeh ab, aber wie immer kümmerte es keinen in meiner Familie. Nach einer Weile des Selbstmitleides und mit cirka 300 Kalorien mehr auf der Hüfte, schlief ich ein. Wem nützte es, wenn ich mich aufrege. Hört ja doch keiner zu. Brauchen die mich eigentlich? Undankbare Brut.
Ein lauter Knall beendete ruckartig meinen Schlaf. Benommen stellte ich fest, dass es draußen und somit auch in der Wohnung, schon völlig dunkel war.
Verschlafen drückte ich auf die Nachttischlampe neben mir. Nichts passierte, es blieb dunkel. Nein, nicht das auch noch, schimpfte ich vor mich hin. Schwach kam mir der Gedanke, dass mein Göttergatte bei seiner Bastlerei im Keller, eine Leitung getroffen haben könnte. Ich brauchte auch gar nicht lange zu warten, bis mein Mann mit einer brennenden Kerze im Schlafzimmer stand: Tut mir leid Schatz, ich habe die Lichtleitung angebohrt. Ich weiß gar nicht, wie mir das passieren konnte. Ich glaube, ich muss meinen Schaltplan noch einmal durchdenken. Er setzte seinen bettelnden Dackelblick. auf und bewegte sich mit seiner brennenden Kerze in Richtung Ehebett. Was machen wir denn jetzt mit dem dunklen Abend außerdem habe ich Hunger!
Mich konnte jetzt nichts mehr aus der Ruhe bringen. Ich stand aus meinem Bett auf und nahm ihm die Kerze aus der Hand: Was du heute noch machst weiß ich nicht, erwiderte ich meinem Mann, ich jedenfalls werde ins Bett gehen - und wenn du Hunger hast, im Ofen steht ein Kuchen. Leider habe ich nur vergessen, die Eier unterzurühren. Mürrisch bemerkte mein Mann: Wozu hast du einen Backplaner, wenn du ihn nie benutzt? Eine Sekunde habe ich geglaubt, ich müsse meinen Mann an die Kehle gehen. Aber meine Mordgelüste verflogen so schnell wie sie gekommen waren. Sanft schob ich ihn und sein verdutztes Gesicht aus der Tür, zog mich aus und legte mich wieder ins Bett. Beim Einschlafen stellte ich fest, dass mein Zeh nur noch etwas schmerzte. Außerdem hatte ich einen Plan.