IO Salbrechter Zugfahren Mit einem Baby Zugzufahren ist eine spannungsreiche Angelegenheit. Wem ein Abenteuerurlaub in Afrika zu teuer ist, dem kann ich das als preiswerte Alternative in Österreich empfehlen. Sommer 1990 Ich fahre mit dem Zug von Klagenfurt nach Wien. Mit dabei sind zwei Reisetaschen, ein Rucksack, ein Buggy und mein Baby Attila. Mitten in der Steiermark - rund um uns nur Landschaft - hält der Zug. Wir warten und schauen aus dem Fenster. Nichts, das heißt nur Blumen; Wiesen und dieses Zeug. Nach einer Viertelstunde sehe ich plötzlich mehrere Polizisten den Zug entlanggehen. Auf und ab. Vom Anfang bis zum Ende. Sonst nichts. Da fährt der Zug wieder an. Unsere nächste Station heißt Knittelfeld. Wir stehen im Bahnhof. Wieder passiert nichts. Wir fahren nicht weiter. Da ertönt eine gelangweilte Stimme aus einem Lautsprecher: "Wir haben eine Bombendrohung erhalten. Bitte lassen Sie alles Gepäck im Zug und steigen Sie aus." Ich packe mein Baby und haste zum Ausgang. Jetzt stehen viele Menschen auf dem Bahnsteig vor dem kleinen Bahnhofsgebäude. Direkt vor uns der Zug mit vielleicht einer Bombe drin. Niemand fährt den Zug weg. Nach einigen Minuten erfolgt wieder eine Durchsage: "Bitte holen Sie Ihr gesamtes Gepäck aus dem Zug." Ich stehe einigermaßen verdutzt mit meinem Baby im Arm da. In Klagenfurt hat mich mein Ehemann zum Zug gebracht, in Wien wird mich meine Mutter abholen. Wie soll ich das Gepäck mit einem Baby am Arm alleine aus dem Zug schaffen? Ich frage das auch den Schaffner - ganz höflich versteht sich, Beamte sind ja bekanntlich so, irgendwie halt… Er zuckt die Achseln - auch ganz höflich versteht sich. Da mache ich ihm einen Vorschlag: "Sie halten in der Zwischenzeit mein Kind. Und ich hole die Koffer." Der Schaffner schaut auf den mittlerweile etwas mißgelaunten Attila. Das ist ihm nun doch etwas zuviel. "Wissen's was. Sagen's mir, wie Ihre Koffer ausschauen und ich hol sie Ihnen." "Wie reizend." Nun stehen auf dem Bahnsteig nicht nur eine Menge Leute und ein Baby sondern auch noch eine Unmenge Taschen, Koffer und ein Buggy. Und - es ist nicht zu fassen: Der Zug rollt etwa 50 Meter aus dem Bahnhofsgelände hinaus. Wie beruhigend. Zwei offensichtlich besonders mutige Polizisten klettern nun in den Zug und spazieren durch, pardon, durchsuchen ihn. Nach wenigen Minuten rollt der Zug zurück, eine letzte Durchsage: " Es wurde nichts gefunden. Steigen Sie ein, die Fahrt wird fortgesetzt." Nicht nur ich muß schlucken. Die Leute packen ihr Gepäck, ich packe mein Baby - der Schaffner trägt reizenderweise mein Gepäck wieder zurück ins Abteil - und wir fahren weiter. Die Leute reden nicht mehr viel. Bei jedem Ruckler werden die noch stiller. In Zukunft fahre ich lieber mit dem Auto. 10 Jahre später, Sommer 2000 Ich fahre nach langer Zeit wieder einmal mit dem Zug. Wien Südbahnhof - Klagenfurt Hauptbahnhof Meine Zugbegleitung diesmal: ein Koffer, eine Reisetasche, ein Rucksack, derselbe Buggy wie vor 10 Jahren und mein jüngster Sohn Kilian zweieinhalb Jahre alt. Wir steigen in den "Mutter-Kind-Waggon ". Klingt vielversprechend. Leider kann man kein Fenster aufmachen, der Zug ist nämlich voll klimatisiert. Ich weiß nicht genau, was das heißt, denn mittlerweile klebt mir mein T-Shirt am Körper und die Haare meines Sohnes sind klitschnaß. Den anderen Leuten - ebenfalls mit kleinen Kindern - scheint es nicht viel besser zu gehen, dazu muß ich sie nicht einmal ansehen, das verrät alleine mein Geruchsinn. Dazu kommen noch ein paar Raucherabteile im "Mutter-Kind-Waggon ", die eifrig benützt werden. Wir sind schon ganz eingenebelt. Wir fahren durch den ersten Tunnel am Semmering. Unser Waggon ist stockdunkel. Alle kleinen Kinder beginnen wie auf Kommando zu schreien. Bis zur nächsten Tunneleinfahrt können die Eltern sie gerade beruhigen. So muß sich wohl Peter Rosseger auf seiner ersten Fahrt mit der Dampfeisenbahn über den Semmering gefühlt haben. Mein Sohn muß aufs Klo. Er ist gerade erst sauber geworden, also muß es schnell gehen. Das Klo geht nicht auf. Die elektronisch gesteuerte Tür zum nächsten Waggon geht auch nicht auf. Da ist es auch schon zu spät... Ich verbrauche viele Kleenex und Papiertaschentücher. Ich suche einen Schaffner. Ja, sagt er, er weiß schon, daß in dem Waggon die Klimaanlage nicht funktioniert. Der Strom ist nämlich ausgefallen Er kann da nichts machen. Er kann nur die zwei Notfenster an den Enden des Waggons kippen. Ich soll mir doch einen anderen Patz suchen. Irgendwo im Zug wird schon noch was frei sein. Ich fahre erst wieder mit der Bahn, wenn sie privatisiert ist. |
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