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"WECHSELJAHRE MÜSSEN KEINE PLAGE SEIN"
Interview mit der Wechseljahre-Beraterin Brigitte Hieronimus
in VISIONEN, Das Magazin für ganzheitliches Leben, 3/04
(Juni/Juli 2004) von Inge Schedlbauer


VISIONEN: Sie sind eine der ersten Wechseljahre-Beraterinnen in Deutschland. Was hat Sie zu dieser Tätigkeit gebracht, und wie sah Ihre Ausbildung aus?
Brigitte Hieronimus: Mit 44 begann bei mir die Menopause, und ich war mehr als überrascht darüber, wollte meinem Gynäkologen damals auch nicht so recht glauben. Mir war das viel zu früh. Als ich mich bei Freundinnen und anderen Frauen meines Alters umhörte, stieß ich entweder auf blanke Abwehr oder auf Unverständnis. Mir schien, dass nur die Wenigsten Bescheid wussten, was in den Wechseljahren im Körper abläuft und welche Auswirkungen der Umbruch auf die psychosoziale Situation haben kann.
Das war dann auch mit ein Grund, mich nach eigenen wechseljährigen Umstellungsprozessen mehr damit auseinander zu setzen, und so besuchte ich im Sommer 1998 eine Weiterbildung bei der Dipl. Psychologin Julia Onken ("Die Feuerzeichenfrau"), die bei Ihrem Frauenseminar in der Schweiz u.a. Kurse für Frauen anbot, die Seminare über die Wechseljahre geben wollten. Eine 18-monatige Ausbildung in Gesprächs-Psychotherapie hatte ich schon einige Jahre zuvor absolviert, und so verband ich beides, hielt Vorträge, Gesprächsabende und Seminare zu diesem Thema. Nachdem ich genügend Erfahrungen in Beratungsstellen gesammelt hatte, erweiterte ich damit mein Beratungsangebot.

Wozu brauchen wir Wechseljahre-Beraterinnen - wo wir Frauen heute doch in Allem so gut informiert sind und gewohnt, uns selbst zu helfen?
Nun, beim Thema Wechseljahre sind die meisten immer noch erstaunlich unaufge-klärt bzw. durch Medien zu einseitig informiert. Die meisten Frauen denken in erster Linie an unangenehme Begleiterscheinungen, fürchten den Verlust ihrer Weiblichkeit und entwickeln diffuse Ängste. Wenn ich frage: "Was fällt Ihnen zu Wechseljahren ein?", kommen meist diese Antworten: "Hitzewallungen, Gewichtszunahme, schlech-te Laune, Schlafstörungen und Depressionen."
Eine rechtzeitige Beratung hilft den Meisten, sich von diesen Schreckgespenstern zu verabschieden, und den Wechseljahren ein positiv ausgerichtetes Bild entgegen zu setzen. Die wenigsten wissen über das Vorfeld der Wechseljahre Bescheid und wun-dern sich später in der Beratung, dass die meisten Symptome nicht erkannt wurden. Selbst Ärzte kennen sich damit nicht aus. Ins Vorfeld gehören u.a. Veränderungen an Haut und Haaren, Gewichtszunahme, Gliederschmerzen, Stimmungsschwankun-gen, auch die sexuellen Bedürfnisse unterliegen starken Schwankungen.
Ein Symptom ist aber nichts weiter als ein Wegweiser und muss sich überhaupt nicht zu einer Störung entwickeln.

Während es früher eher ein gesellschaftliches Tabu war, öffentlich über Wechseljahresprobleme zu sprechen, dominiert jetzt die Annahme, dass "man" so etwas heute nicht mehr "hat". Denn "da kann man doch was nehmen" - wenn nicht Hormone, dann doch wenigstens Pflanzenöstrogene. Warum sind in unserer so aufgeklärten Zeit die Wechseljahre immer noch ein Tabu?
An unserem Frauenbild hat sich nur wenig geändert. Eine Frau hat zu funktionieren und sich zurück zu nehmen. Die Generation unserer Mütter hat nicht gelernt, auf körperliche und seelische Umbrüche zu reagieren – "da muss frau eben durch" oder mehr arbeiten, damit sie nicht so viel nachdenken muss.
- Heute steht der weibliche Körper zwar im Zentrum des Bewusstseins, aber es geht dabei um den Erhalt der Jugendlichkeit und Attraktivität. Das hindert Frauen eher daran, sich mit der Sprache des Körpers und der Seele auseinander zu setzen.
- Die Umstellung der weiblichen Hormone hat einen großen Einfluss auf Stimmungen. Schwankungen des Östrogenspiegels zeigen deutlich, wie es in dieser Zeit um das "typische Frausein" steht. Frauen wollen nicht länger Ungerechtigkeiten schlucken, und dabei ist jetzt das durch den Östrogenrückgang deutlich spürbarere Tes-tosteron behilflich, es lässt angriffslustiger und konfliktfreudiger werden. Es kann auch die Libido erhöhen und mehr Lust machen. Allerdings trauen sich nur wenige, diesen "unweiblichen" Emotionen nachzugehen und unterdrücken sie, was dazu führen kann, dass sie an Symptomen zu kranken.

Mit Ihrem Buch "Romeo und Julia in der Midlife-Crisis" greifen Sie einen anderen bisher vernachlässigten Aspekt der mittleren "Entwicklungsjahre" auf: die Paar-Beziehung. Wie können Männer ihre wechseljährigen Frauen am besten unterstützen?
Zuerst einmal muss eine Frau ihre eigenen Wechseljahre verstehen und annehmen lernen, bevor sie einem Mann erklären kann, was ihr helfen könnte. Männer um die 40 stecken ja in ähnlichen Umbrüchen. Bei ihnen schwankt der Testosteronspiegel, was sie leistungsschwächer, antriebsärmer und lustloser machen kann. Da Männer üblicherweise leistungsorientiert sind und auf ihren Körper wenig horchen, verstehen sie nicht, warum sie zum Beispiel unangenehm ins Schnaufen kommen, wenn sie wie gewohnt joggen oder den Rasen mähen.
- Schwierig wird es für Paare, wenn sie ihre Stimmungsschwankungen nicht richtig einordnen können. Frauen sind nicht dazu ermutigt worden, Unmut und Zorn zu zeigen, und so kann ein Mann oft wenig damit umgehen, wenn seine Frau nun lauter wird und schiebt sie gerne in die Ecke des keifenden Weibes. Da gibt es für beide viel Neues zu lernen. Das gelingt am besten, wenn sie sich in dieser Zeit auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen und sich daran erinnern, wie sie als Paar begonnen haben. Die Sexualität spielt eine andere Rolle, auch darüber müssen beide Bescheid wissen. Leider ist das ein riesengroßes Tabu.

Mit welchen Problemen und Beschwerden kommen betroffene Frauen hauptsächlich zu Ihnen? Wie sieht eine Beratung üblicherweise aus? Mit welchem Honorar muss frau im Schnitt rechnen?
Viele Frauen kommen zu spät in die Beratung und stecken in schwierigen Lebensübergängen und Umbrüchen fest, die sich zu Krisen entwickelt haben. So werden zum Beispiel aus den vormals harmlosen Wallungen, die wenig Beschwerden bereiteten, bachnass geschwitzte Nächte, die zusätzliche Störungen mit sich bringen, wenn der Mann schnarcht, die Ehe sich problematisch zeigt, Arbeitslosigkeit droht oder die Eltern zum Pflegefall werden.
Panikattacken werden mittlerweile häufig benannt, die eigentlich nicht zu den klassischen Symptomen gehören, sondern eher Folge von unterdrückten und nicht benannten Ängsten sind.
In meiner Beratung geht es in erster Linie darum, die Frau in ihrer Kompetenz zu stärken. Meist hat sie den Schlüssel zur Lösung schon in der Hand und traut sich einfach nicht zu reden. Das ist ein Hauptgrund, warum Probleme auftauchen. Frauen wie Männer müssen über ihre Veränderungen reden dürfen und sich ernst genommen fühlen.
- Meist genügen zwei bis drei Beratungsstunden, um sich wieder zurecht zu finden. 60 Minuten kosten 40 Euro. Wer nicht zu mir kommen kann, den berate ich am Telefon.

In den Niederlanden gibt es den Beruf der Wechseljahre-Beraterin mit anerkannter Ausbildung bereits seit vier Jahren (vgl. Kasten). Dort arbeiten die Beraterinnen eng mit Ärzten zusammen und die Beratungskosten werden von den meisten Krankenkassen übernommen. Können Sie sich ein ähnliches Modell auch bei uns vorstellen? Wenn nicht, woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Natürlich könnte es dieses Modell auch bei uns geben. Das würde aber ein Umdenken bei Kassen und Ärzten erfordern, die bisher keine große Bereitschaft dazu zeigten - schließlich geht es um den Verlust ihrer Pfründe. Die Pharma-Industrie hat ein großes Interesse daran, Frauen zu binden, deshalb sind Wechseljahre zu einer Krankheit gemacht worden, an der sich gut verdienen lässt. Einschlägige Studien geben Aufschluss darüber.
Mittlerweile interessiert sich eine regionale Krankenkasse für das Beratungs-Modell, die meine Vorträge als Präventionsangebot fördert, und das ist zumindest ein guter Anfang.

Sie bilden auch selbst Wechseljahre-Beraterinnen aus. Wie sieht ein solcher Lehrgang aus, und welche Voraussetzungen müssen Interessentinnen erfüllen?
Eine regelrechte Ausbildung gibt es dazu (noch) nicht. Ich bin befähigt, Einführungslehrgänge zu halten, die Orientierung bieten. Je nach mitgebrachter Kompetenz können die Teilnehmerinnen danach beginnen, das erworbene Wissen einzusetzen bzw. in ihre bereits vorhandene Tätigkeit zu integrieren. Zu mir kommen Ärztinnen, Psychologinnen, Heilpraktikerinnen und Ernährungsberaterinnen genauso wie nicht berufstätige Frauen, die sich für diese freiberufliche Tätigkeit interessieren oder etwas Neues beginnen wollen.
Jede Kompetenz kann überall nachträglich erworben werden. Nicht alle wollen beraten oder Vorträge halten. Wer Seminare halten will, kann nach dem Lehrgang in die Schweiz zu Julia Onken fahren. Es gibt viele Möglichkeiten, als Beraterin zu arbeiten. Der Bedarf wird immer größer. Das merke ich vor allem daran, wenn ich in einer Sendung wie Frau TV vorgestellt werde (WDR, 9.4.2003). Dann komme ich tagelang nicht von meinem PC weg, weil sich plötzlich alle für Wechseljahre interessieren.

Welchen Rat oder Leitsatz würden Sie wechseljahres-geplagten Frauen mit auf den Weg geben?
Wechseljahre müssen wirklich keine Plage sein, wenn frau (und Mann) sich wie beim täglichen Zähneputzen die Frage beantworten: Was wechselt für mich wirklich?
- Diese Zeit kann ein Aufbruch zu neuen geistigen Ufern sein, es müssen nicht alle Zelte abgebrochen werden, es geht um Abschied und Neubeginn, die wie Zwillinge in der selben Wiege liegen. Klimakter kommt aus dem Altgriechischen und bedeutete ursprünglich Stufe, Leiter, und diese Bedeutung gilt immer noch. In den Wechseljahren erklimmen wir eine neue Lebensstufe. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. So können wir dem geistig-seelischen Gipfel näher rücken, und das sind doch wirklich schöne Aussichten, nicht wahr?


Brigitte Hieronimus, Jahrgang 51, verheiratet, zwei erwachsenen Kinder, zwei Enkel, Schriftstellerin und Autorin, Seminarleiterin für Wechseljahre, Beratung und Coaching, Freie Autorin bei
www.ostschweizerinnen.ch
www.hausfrauenrevolution.com
Kontakt:
Brigitte Hieronimus
Bahnhofstraße 4
46359 Heiden
Tel. und Fax: 02867 - 959155
info@brigitte-hieronimus.de
www.brigitte-hieronimus.de


LESE-TIPPS
Brigitte Hieronimus, Romeo und Julia in der Midlife-Crisis, Liebe, Lust und Leidenschaft in turbulenten Zeiten, Kreuz Verlag, 14.90 Euro.
Julia Onken, Die Feuerzeichenfrau, Ein Bericht über die Wechseljahre, CH.Beck Verlag, 9.90 Euro


VORREITER NIEDERLANDE
In den Niederlanden gibt es bereits seit vier Jahren Wechseljahre-Beraterinnen (etwa 60 insgesamt) mit anerkannter Fachausbildung. Inzwischen übernehmen 80 Prozent aller Krankenkassen die Kosten.
Die Frau wird vom Arzt überwiesen oder geht direkt zur Beraterin. Danach finden noch etwa vier Beratungsstunden statt - wenn nötig, kommt die Frau im nächsten Jahr wieder. Ganz wichtig ist die enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Wechsel-jahre-Beraterin. Bei medizinischen Problemen schickt die Beraterin die Frauen sofort zum Arzt.
Die Ausbildung zur Wechseljahre-Beraterin erfolgt durch die Organisation Care for Women in Amersfoort und dauert ein Jahr. Voraussetzung: mindestens sieben Jahre Berufserfahrung als Krankenschwester.
Das erste gemeinsame Wechseljahre-Berater-Zentrum wurde am 15. März 2004 in Kerkrade/ NL (nahe Aachen) eröffnet. Hier arbeiten fünf Wechseljahre-Beraterinnen mit drei Frauenärzten direkt Tür an Tür zusammen. In den ersten Wochen gab es schon über 100 Termine und lange Wartelisten. Außerdem haben die Kassen festgestellt, dass viele Frauen mit Unterstützung der Beraterin weniger oft krank sind.
- In den Niederlanden gehen oft auch die Ehemänner mit zur ersten Beratungsstunde. Danach haben sie oft viel mehr Verständnis für die manchmal "schlechte Laune” oder "Zickigkeit” ihrer Frau. "In Deutschland kommen Männer fast nie mit” (Brigitte Hieronimus).



WICHTIGE ADRESSEN
Feministisches Frauen Gesundheits Zentrum e.V., Berlin
www.ffgz.de
Auf der Website sind weitere Infos zum Thema zu finden. Das Zentrum bietet auch Wechseljahre-Beratungen an sowie eine Info-Broschüre ("Wechseljahre - Eine Broschüre zur Selbsthilfe"). Sie ist im Buchhandel erhältlich oder telefonisch zu bestellen unter 030 / 21 39 59 7 und kostet 5.20 Euro (plus 1.10 Euro Versand).
= Wechseljahre-Beratungs-Zentrum ATRIUM in Kerkrade/ NL: Kontakt über Irma van der Wel in Brunssum, Tel. 0031-45-52 85 934
Links:
www.overgangsconsulente.com
www.menopauze-overgang.com

Ausbildungszentrum für Wechseljahre-Beraterinnen in Amersfoort/ NL:
www.careforwomen.nl

Mit freundlicher Genehmigung von VISIONEN, Das Magazin für ganzheitliches Leben, 3/04 (Juni/Juli 2004).