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Asylantenkinder
Ein Bericht von Claudia - aufgeschrieben von Gudrun


Ich wollte was machen.
Drei Kinder und der Haushalt sind eigentlich genug. Aber ich wollte etwas für mich tun. Etwas, das mir Spaß macht, mich fordert und mir vielleicht sogar noch die Möglichkeit gibt, Geld zu verdienen.
Darüber sprach ich mit einer Freundin, die beim Jugendamt arbeitet. Und siehe da. Es ergab sich eine Möglichkeit.
Ich bekam einen Anruf vom Jugendamt mit dem Angebot, mit Asylantenkindern zu arbeiten.
Asylantenkinder? Was macht man mit Asylantenkindern?
Ein Gespräch mit dem guten Mann vom Jugendamt brachte folgendes.
Ich sollte auf Honorarbasis, unterstützt vom "Brasilienkreis" die Kinder im weitesten Sinne "in die Gemeinde integrieren" und sie "sinnvoll beschäftigen". Weg vom Fernsehen und weg von der Straße! Die Eltern sollten einbezogen werden.Für Integration der Kinder in Sportvereine und in die KJG (Katholische Jugend Gruppe)...sollte ich sorgen. Und wie sollte ich das jetzt anfangen?
Konkrete Informationen, wie ich das bewerkstelligen sollte gab es nicht. Die Einarbeitung in das Thema oblag ganz allein mir.
So machte ich mir dazu Gedanken. Ich führte ein Gespräch mit unserem Pastor, mit den jeweiligen Lehrern (ich kam zu dem Schluß, daß ich die Kinder auch in Sachen Schule unterstützen wollte). Das war natürlich eine ganze Menge, was im Vorfeld zu erledigen war. Und ich mußte meine Ideen irgendwie bündeln, um sie umzusetzen.
Nun gut. Die erste Stunde stand an. Das erste Problem: Wo sollte das Ganze stattfinden? Ein Raum stand mir nicht zur Verfügung.
Also lud ich für das erste Treffen die mir zugewiesenen 8 Kinder  ( 4 Jungen, 4 Mädchen) zu mir nach Hause ein.
Meine Kinder und auch die Nachbarskinder zeigten großes Interesse - und kurzerhand lud ich diese auch dazu ein. ("Wir zeigen den Schwarzen mal, wie man Fußball spielt" - oh weia! Was kam da auf mich zu?)
Die Asylantenkinder zeigten sich sehr interessiert und legten ein außerordentlich rücksichtsvolles Benehmen zutage. Sie tobten nicht durch mein Haus und gingen sehr sorgsam mit den ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitsmaterialien um.
Zunächst habe ich mich vorgestellt. Gottseidank gab es keine Sprachprobleme, ich mußte zwar langsam sprechen, aber sie verstanden mich.
Wir begannen mit einem gemütlichen Kuchenessen, bei dem sie auch außerordentliche Höflichkeit zeigten. Sie warteten mit dem Essen bis auch ich mich dazu setzte. Das war ich von Kindergeburtstagen etc. ganz anders gewöhnt!
Danach verteilte ich Malutensilien und gemeinsam haben wir dann gemalt. Es waren fröhliche Bilder . Es war eine schöne, friedliche Atmosphäre.
Nachdem ich "meine Asylantenkinder" wieder in ihr Wohnheim gebracht hatte, hatte ich das Gefühl, daß "alles sehr gut gelaufen ist".

Danach trafen wir uns regelmäßig - einmal in der Woche. Wenn ich Zeit hatte, unternahmen wir auch am Wochenende etwas zusammen. Wir malten zusammen Blumentöpfe an,  arbeiteten mit Seide, töpferten und machten Gruppenspiele.
Auch gingen wir zusammen in den Wald. Alles war ganz easy.
Die Nachbarskinder hatten sich inzwischen ausgeklinkt und auch meine Kinder waren nun nicht mehr bei jedem Treffen dabei. Aber das war okay. Alles war im Fluß.  .
Dann das erste Problem:
Wir wollten zusammen in einem nahe gelegenen See schwimmen gehen.
Kein Problem - für die Jungs. Die Mädchen hingegen durften nicht mitschwimmen. Die Eltern verweigerten die Teilnahme der Mädchen am Schwimmen. Sie durften uns zwar bei dem Ausflug begleiten, jedoch nicht schwimmen gehen.
Hä? - Auf Nachfrage bei den Vätern (!) bekam ich zur Antwort: "Das können wir dir nicht erklären." Die Mütter sagten nichts dazu.
Ein Vater kam tatsächlich zur Kontrolle, um die Einhaltung des Verbotes zu kontrollieren.
Das war heftig! Und ich fühlte mich kontrolliert. Wo war das Vertrauen?
Nun denn, ich mußte und wollte weitermachen.
Immer mehr kristallisierte sich das Jungen/Mädchen-Problem heraus.
("Hol mir meine Schuhe und bind sie mir zu!" - Auftrag eines Jungen an seine Schwester!)
Wie sollte ich damit umgehen? - Für mich entschied ich folgenden Weg:
Grundsätzlich holte ich z u e r s t  die Mädchen ab. Die Mädchen durften z u e r s t  Boot fahren. Und ganz ungeniert bevorzugte ich sie, wo immer es die Möglichkeit gab.
Jedesmal versuchte man erneut mit mir darüber zu diskutieren, welche Vorrechte die Männer gefälligst zu haben haben. Ich reagierte genau wie der Vater "Das können wir dir nicht erklären!" Ha!

Die Integration in die Gemeinde gestaltete sich sehr schwierig und zeitaufwendig, weil es von den Eltern keinerlei Unterstützung gab. (Mädchen Sportverein: unmöglich, aufgrund geforderter "Verkleidung")
Bei den Jungen stellte sich das Transportproblem. Die Eltern waren nicht bereit, die Kinder zum Sportplatz zu begleiten, sie anzumelden oder ihnen irgendeine Unterstützung zu geben. Das sollte gefälligst ich machen.
Zusammen mit einer ebenfalls im Asylantenbereich engagierten Lehrerin setzte ich immerhin eine Teilnahme an Schulfesten zusammen mit den Eltern durch. Auch fand eine Teilnahme bei einem Laternenumzug gemeinsam mit den Eltern statt. Sie sollten von mir ja auch integriert werden.
Gottseidank gingen mir die Ideen nicht aus. Und ich fand immer neue Möglichkeiten, die Kinder zu beschäftigen. Und schließlich erhielt ich auch einen Raum, der uns zur Verfügung gestellt wurde. Gemeinsam gestalteten wir dieses "Kellerloch" einigermaßen wohnlich. Leider befindet er sich in unmittelbarer Nähe des Asylantenheimes, so daß ich mich nun immer mehr mit den Eltern auseinandersetzen mußte, was mich Kraft kostete, die ich lieber für die Kinder genutzt hätte.
Der fordernde Ton mancher Eltern befremdete mich etwas, war jedoch sicher nicht so gemeint und kam aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse bei mir vielleicht auch manches Mal falsch an.
Das Sprachproblem bei den Eltern ist ohnehin sehr gravierend. Die angebotenen Sprachkurse wurden leider nur selten genutzt. Es war zu umständlich, mit dem Bus dorthin zu fahren. Und es war ihnen zu teuer?.......(Meines Wissens wird der Kursus aber bezuschußt.)
Ansonsten habe ich mit den Eltern gut zusammengearbeitet. Es sind nun mal verschiedene Kulturkreise, die da aufeinander prallen. Die Eltern zeigten mir aber immer wieder ihre Dankbarkeit für meine Arbeit und waren sehr angetan, daß ich mich auch in Schulbelangen für ihre Kinder engagierte. Das motivierte mich immer wieder neu. Obwohl ich manchmal ziemlich erschöpft von der Fülle der sich stellenden Problembereiche war.

In meinem Umfeld beäugte man mein Tun zunächst recht kritisch ("Hoffentlich haben die keine Bombe dabei"). Die einen belächelten mich, die anderen bewunderten mich. "Ich bin froh, daß du das machst. Das will sonst keiner machen."
Das Jugendamt ließ mich im Alleingang machen. Es gab keine Kritik und kein  Lob. Ich arbeitete ohne Feedback, was ich persönlich nicht sehr motivierend fand. Ich hätte mich gern ausgetauscht und wäre gern ein wenig "geschult" worden. Sehr schön hätte ich es auch gefunden, in das Team integriert worden zu sein. So fühlte ich mich etwas allein gelassen "auf weiter Flur".
Nun denn, ich fand ja auch meinen Weg allein. Und es machte mir Spaß.
Leider herrscht bei den Asylantenfamilien eine hohe Fluktuation, das heißt, entweder gehen sie nach einer Weile zurück in die Heimat (nämlich dann, wenn man sie gerade "so schön integriert hat" oder sie ziehen weg - und verschwinden damit aus meinem direkten Umfeld). So mußte ich von mir liebgewonnenen Kindern Abschied nehmen, was nicht einfach war. Und dann wieder mit neuen Kindern neu anfangen.

Leider kam das Projekt nun für kurze Zeit zum Stillstand, weil die nötigen Gelder nicht bereitstanden. Ich hielt trotzdem den lockeren Kontakt, machte aber nicht mehr die regelmäßigen Treffen. Zeit zum Atemholen für mich.
Als ich erfuhr, daß die Gelder voraussichtlich erst ab Herbst diesen Jahres wieder zur Verfügung stehen sollten, beschloß ich für mich, trotzdem die Kinder bis dahin zu betreuen. Irgendwie.
In dieser Woche nun bekam ich Bescheid: Es kann regulär weitergehen. Der Brasilienkreis übernimmt die Kosten.
Nun kann ich mit meinen bereits vorhandenen Erfahrungen weitermachen und darauf aufbauen.
Es ist eine schöne Aufgabe, Kindern zu helfen.