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Angst
Barbara de Raad
( Eine Kurzgeschichte, n i c h t s Autobiographisches, nur meiner manchmal sehr schrägen Phantasie entsprungen!)


Sie war fast eingeschlafen als sie das Geräusch hörte.
Ein leises Knarren, als ob vorsichtig ein Fenster geöffnet würde.
Sofort hellwach, versuchte sie sich zu beruhigen.
Das war ein altes Haus. Hier knarrte doch immer etwas. Aber es half nichts.
Sie lauschte atemlos und hörte überlaut ihr Herz pochen.
Waren da nicht Schritte? - Ihre Hände zitterten.
Diese ewige Angst! Sie machte Licht.
So war es besser. Jetzt sah die Nacht gleich nicht mehr so bedrohlich aus.
Es war kein Geräusch zu hören, aber der Einbrecher könnte sich ja vorsehen.
Immer hatte sie so dumme Gedanken, natürlich war kein Mensch im Haus! - Aber vielleicht sollte sie doch besser einmal nachsehen. Dann konnte sie wenigstens beruhigt einschlafen.
Ein Blick auf die Uhr, es war halb zwölf. Ob sie doch ihren Mann nochmal anrufen sollte?
Wahrscheinlich schlief er schon und würde ärgerlich sein, wenn sie ihn weckte.
Er kannte ihre Angst ja zur Genüge. – Immer wenn er geschäftlich unterwegs war, konnte sie nicht einschlafen. Diesmal war er auf einer Fachmesse, übermorgen würde er wieder nach Hause kommen.
Der Gedanke erfüllte sie mit Erleichterung, aber steigerte gleichzeitig ihre Angst.
Das Alleinesein ertrug sie einfach nicht.
Jetzt hörte sie sogar bei Licht unheimliche Geräusche.
Ob sie doch noch anrief?
Aber nach dem Gespräch wäre alles wie vorher – nur die Enttäuschung über sein fehlendes Einfühlungsvermögen käme noch dazu. Sie würde sich noch einsamer fühlen.
Manchmal kam der Gedanke bei ihr auf, ob sie bei ihrem Mann eigentlich nur wegen der Angst blieb, aber sie erstickte ihn immer sofort schon im Keim. Sie wäre zu feige zu handeln, und so war es besser einfach nicht darüber nachzudenken.
Wie erleichtert hatte sie damals seinen Heiratsantrag angenommen, nachdem sie sich so bereitwillig in ihn verliebt hatte.
– Nie mehr an einem grauen Sonntag alleine, und mit Angst im Herzen, am Ufer des Flusses entlang gehen.
– Nie mehr nach einem langen Nachmittag bei einer Freundin alleine die stille, einsame Wohnung aufschließen.
– Immer eine starke Schulter an der Seite.
Ja, es war wunderbar gewesen, als sie ihn kennengelernt hatte. Dass die Angst jetzt, bei den seltenen Anlässen die es noch gab, mit der vielfachen Stärke von früher kam, konnte sie sich selbst nicht erklären.
Sie machte das Licht wieder aus, atmete gleichmäßig und ruhig.
Sie versuchte an etwas Schönes zu denken, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen.
Sie dämmerte vor sich hin.
Nein, bevor sie einschlief musste sie sich überzeugen, wirklich alleine im Haus zu sein.
Sie stand auf. – Es war kalt. – Sie fröstelte.
Leise öffnete sie die Schlafzimmertüre und sah in den Flur. – Alles war ruhig. Natürlich!
Sie versuchte so normal wie möglich in die Küche zu gehen. Eigentlich hatte sie ja auch Durst.
Sie machte das Licht an. – Na also! Milch oder Wasser?
Was klapperte denn da? Das Küchenfenster war ja nur angelehnt.
Plötzlich schlug ihr das Herz wieder bis zum Hals. Sie merkte, wie ihre Beine schwankten.
Langsam drehte sie sich um.
Da stand er!
Sah sie an, kam auf sie zu, ohne ein Wort zu sagen, langsam.
Sie konnte nicht denken, plötzlich nur handeln.
Sie griff nach dem Messer auf der Anrichte.
Er war da, hob den Arm – und sie – stach zu!
Mit aller Kraft, mit beiden Händen hieb sie das Messer mitten in seinen Bauch.
Einmal, nochmal.
Er sank ganz langsam in sich zusammen, sprach immer noch nicht, sah sie nur staunend an.
Und sie, sie lächelte.