Anja Kreusch-Roth Wenn Männer krank werden Es war ein Mittwochmorgen. Eigentlich hätte es ein schöner Tag werden können. Erste Frühlingsvorboten säumten den Weg zum Gericht, in dem wir in der nächsten halben Stunde einen Vergleich mit unserem ehemaligen Steuerberater schließen sollten. Mein Mann und ich liefen eilig die Stufen zum Amtsgericht hoch als Haaaatschiii! schoss es aus ihm heraus laut, energisch, unüberhörbar, ja erschreckend peinlich immerhin drehten sich alle in unserem 10 Meter Umkreis befindlichen Passanten zu uns rüber. Gesundheit entsprang es meiner Kehle, obwohl ich vor Erstaunen eigentlich kein Wort hätte rauskriegen können. Haaaatschiiii nochmals also dass diese Männer aber auch immer so übertreiben müssen, dachte ich und sparte mir ein weiteres Gesundheit Kaum waren wir heil der hohen schweren Drehtüre im Eingangsbereich entkommen, ging es wieder los. Haaaaatschiiii, Hatschiiieeee! Du meine Güte, dachte ich, nun reichts doch wirklich. Der freundliche Mann an der Information nahm eiligst ein Taschentuch und wischte den dichten Sprühnebel des letzten Nießers meines Mannes von der äußeren Scheibe, die ihn glücklicherweise noch von uns trennte. Nach einem Blick auf unsere Vorladung verwies er uns an Raum 31 Stockwerk 3. Kurz vor den Stufen vernahm ich sein schweres Atmen, er blieb stehen, holte tief Luft und, nein, bitte nicht schon wieder Haaaatschiiieee! schrie er abermals den Leuten entgegen, die ebenso erschreckt wie ich, einen weiten Bogen um Bernd machten. Ein Zittern fuhr im durch den Körper und ließ keinen Zweifel daran, dass er nun auch noch Schüttelfrost bekam. Als wir vor unserem Verhandlungsraum ankamen, ließ er sich, schwer, ja fast wie angeschossen, auf der Holzbank im Wartebereich fallen und sank erstmal in sich zusammen. Ich beugte mich zu ihm hinunter, das Taschentuch nun immer griffbereit, und sah mir seine müden Augen an. Ach du meine Güte, entfloh mir mein Erstaunen über diesen Anblick Du hast ganz furchtbar rote Augen, bist ganz blass und sag mal zitterst Du etwa??? Bernd raffte seinen Kopf in die Höhe, nur um ihn aus derselben mit Wucht wieder fallen lassen zu können diese gestische Übung sollte wohl das auf meine Frage erwartete Ja ersetzen. Ich ließ mich ebenfalls neben Bernd nieder und war zunächst einmal froh, von weiteren kraftvoll bedrohlichen Nießattacken verschont zu bleiben. Bernd sagte gar nichts, und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn. Wenn Männer erst ihre verbale Kommunikation durch Körpersprache ersetzen, dachte ich, dauert es auch nicht mehr lange, bis sie im Bett landen. Zum Einen, wenn sie sich top fit fühlen und ihre Kräfte unter Beweis stellen wollen zum Anderen, wenn sie ein Virus schachmatt setzt und sie wieder Kräfte brauchen. Letzteres war wohl heute an der Reihe. Kurzum: Kaum waren wir nach erfolgreichem und einigermaßen trockenem Vergleich (vor dem Richter folgten lediglich 3 harmlose Nießer ohne Sprühnebel) wieder zu Hause angekommen, steuerte Bernd umgehend das Badezimmer an. Sorgenvoll eilend, setzte ich Tee- und Suppenwasser auf und rief schon mal vorsorglich in Bernds Büro an. Das Badewasser hatte bereits eine bedrohliche Höhe erreicht, als ich das Bad betrat um dem Patienten eine Tasse Kamillentee anzubieten. Da lag er, bis zur Nasenspitze in einem dampfenden Eukalyptusbad versunken, schlafend und, hätte ich ihn nicht geweckt, wahrscheinlich bald nach Luft ringend. Seine heiße Stirn glühte durch die Hitze des Wassers jetzt erst recht und versprach getrost 40 Grad. Der glasige Blick glitt an mir vorbei und die darin schwimmende Pupille rutschte immer wieder seitlich weg, da beschloss ich, Bernd aus der Wanne raus zu holen irgendwie. Mit letzter Kraft schob er seinen geschwächten Körper aus dem Wasser direkt in den offenen Bademantel, hinter dem ich mich vor Nießern und Viren schützend, versteckte. Ein heftiger Schüttelfrostanfall machte aus dem Einsteigen in den Bademantel das reinste Geduldsspiel und ließ abermals erkennen, wie schwer es Bernd erwischt hatte. Kaum im Bett angekommen, klingelte das Telefon und Bernds Sekretärin ließ sich nicht abschütteln. Mit einiger Mühe gelang es ihm jedoch, von heftigen Zitterstößen geplagt, einen vollständigen Satz zu sprechen, bevor er das Gespräch versehentlich beendete. Sicherlich hatte er sich so am Telefon festgekrallt, dass seine zittrigen Finger alle Tasten berührten. Das erwartungsgemäß darauf folgende abermalige Klingeln ignorierte ich und warf den Höher auf den Sessel neben dem Bett. Bringt doch eh nichts heute. Bernd ließ sich in die Kissen fallen und in einem Riesenseufzer alle Anstrengungen dieses Morgens aus sich heraus. Dann schlief er total erschöpft ein. Endlich, dachte ich, nun ist Ruhe. Zeit, ein wenig Hausarbeit zu machen. Inzwischen konnte ich Bad und Küche wieder putzen, unser Kind vom Kindergarten abholen und das Nötigste einkaufen. Schon bald ging es Bernd besser. 3 Tage und 3 Nächte verbrachte ich neben einer Mischung aus Schniefen, Schnarchen, Husten, Pfeifen und, na klar, nächtlichen Gib mir mal nen Schluck Wasser-Bitten meines Mannes. Ich selber stopfte mich voll mit Echinacin-Tabletten, Zinkkapseln und Umckaloabo-Tropfen und siehe da, ich blieb sogar trotz des übermäßigen Schlafdefizits verschont. Bernd dankte mir dies besonders, da er kranke Frauen nicht leiden kann. Dass er jedoch wirklich wieder gesund war, gab er mir erst am 4. Tag zu verstehen, als er selbstgefällig feststellte: Schatz, wie erstaunlich, dass Du noch gesund bist Viren haben eben auch ihren Stolz! Dankeschön! Copyright by Anja Kreusch-Roth |
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