Sibylle Schäfer, stud. phil. Annäherungen an "If pigs could fly" oder Hausfrauenrevolution schärft den Verstand Doch, es gibt sie auch, die, nennen wir sie mal "seriösen Kritiker der Hausfrauenrevolution". Als ich "If pigs could fly" im Urlaub gelesen, ja in zwei Tagen verschlungen hatte, war ich als Mitglied der Hausfrauenrevolution von dem Buch begeistert und hatte sofort den Eindruck, jedermann/frau müsse beim Anblick dieses Buches sofort dasselbe verspüren: einen wichtigen Ruck nach vorne! Doch kaum war ich wieder zu Hause, sah alles etwas anders aus. Zuerst kehrte nach zwei Wochen Tapetenwechsel die große Einsamkeit und Leere zurück, die ich seit den Zeiten der Hausfrauenrevolution erfolgreich beiseite geschafft hatte. Aber überdimensionale Wäscherberge, verstaubte Ecken, die verwaiste Wohnung holten mich schnell auf den Boden der Tatsachen zurück und erschienen mir wie ein Kulturschock. Mein Vorhaben, sofort eine mitreißende Rezension zu "If pigs could fly" zu schreiben, wurde erfolgreich unterwandert. Trotz Erholung fühlte ich mich leer und verbraucht. Ich hatte den Eindruck, die Wäschetürme hätten gar nichts mit mir zu tun. Trotz Bergen von Arbeit wusste ich nicht mehr, was ich tun sollte. Den ganzen Tag in dieser Wohnung? Gehörte ich dort überhaupt hin? Ich hatte die letzten vierzehn Tage Freiheit verspürt gehabt. Nicht jeden Tag kochen, hinterher räumen, schimpfen müssen. Denn Filius war natürlich im Urlaub auch gleich viel besser gelaunt. Und nun? Nun kam mir alles noch schlimmer vor als vorher. Und dann trat er auf den Plan, der seriöse Kritiker. In der Form eines alten Freundes. Wir hatten ihn anderthalb Jahre nicht gesehen. Voller Elan erzählte ich von der Hausfrauenrevolution. Ja, er hatte Verständnis für mein Anliegen. "Macht ihr das ruhig, sagte er, "aber ohne mich!" Dann erkundigte er sich nach den genauen Zielen: "Mehr Anerkennung? Ich habe auch keine Anerkennung im Beruf. Ist das nicht ein bisschen viel verlangt? Wer bekommt heute schon noch Anerkennung!" Bei meinen Ausführungen zur Rente lachte er nur zynisch: "Ich kriege ja später dann auch kaum Rente. Was bleibt denn für uns Männer noch übrig?" Dann setzte er noch einen oben drauf: "Dir macht ja wohl die Hälfte der Hausarbeit im Moment auch keine Freude!" Alles ließ er an seiner Gleichgültigkeit abprallen. Erst fühlte ich mich wie ins Gesicht getroffen! War da vielleicht noch irgend etwas dran? In der Tat war ich ja mit den hausfraulichen Tätigkeiten die letzten zwei Wochen nicht gerade d’accord gewesen. Aber seine Gleichgültigkeit erweckte die Hausfrauenrevolutionsgeister in mir. So nicht! Nicht mit mir! Ich packte meine Wäscheberge und sperrte sie in die Waschmaschine. Mein Sohn half mir "Wohnung putzen" spielen. Und ich setzte mich an den Computer, um die vorliegende Rezension, die ich bis dahin verfasst hatte, nochmals zu überarbeiten. Deshalb hereinspaziert, Ihr Kritiker, denn Hausfrauenrevolution schärft den Verstand! Annäherungen an "If pigs could fly” Der Begriff "Hausfrau" hat im Laufe seines langen Lebens eine deutliche Verschlechterung in seiner Wertigkeit erfahren. Blickt man in Grimms Wörterbuch, ist es noch eine Auszeichnung, als Hausfrau bezeichnet zu werden und nicht mit dem für niedrigeren Stand stehenden Ausdruck "wip" (mhd. gleich "Weib"). Dies wird noch deutlicher, wenn man die zwei folgenden Textstellen über das Hausfrauenbild nebeneinander legt, zwischen deren Entstehung ca. 160 Jahre liegen: Über das Bild der Hausfrau schrieb Bettina von Arnim im Jahre 1843: "Ach die Natur ist doch eine Hausmutter, sie eilt jedem Bedürfnis zuvor und verherrlicht’s in seiner Befriedigung. Und die Hausfrau soll sich in ihr spiegeln und ihr alles nachmachen im Nützlichen und im Schönen, mit Spinnen und Weben und Blumensticken und Kochen, ja der häusliche Herd, der ist auch ein Platz, wo jene idealistische Natur des freien Geistes manche Anregung fühlt". Zeitreise: "Ich kann mein Ich nicht ausleben [...] ich fühle mich in diese dämliche Hausfrauenrolle gepresst, eine Rolle, die ich so nicht mehr spielen möchte: depressiv, schweigend, lustlos, dumm und unattraktiv eben ein Hausmütterchen." So Marie Theres Kroetz-Relin im Jahr 2002. Die Tatsache wirkt erschreckend: wie konnte die Hausfrau "so tief sinken"? Man kann nun in einen kulturhistorischen Diskurs eintreten und Ursachenforschung betreiben oder sich einfach mal zurücklehnen und kurz über die angeführten Adjektive nachdenken: depressiv, schweigend, lustlos: schon alleine diese drei zeigen in dieselbe Richtung: Einsamkeit. Wer einsam ist, ist zum schweigen verdammt, wer einsam ist, kann depressiv und lustlos werden. Warum tappt hausfrau in diese Einsamkeitsfalle: "und ich hatte solche Angst vor der Einsamkeit" (Marie Theres Kroetz-Relin). Liegt es allein daran, dass es immer weniger Familien gibt und die Hausfrau deshalb schon isoliert ist, weil die Großfamilie wegfällt und damit (auch bei allem Ärger, den diese mit sich gebracht haben mag) der Halt, der Austausch, die Anerkennung? Es mag ein Konglomerat an Gründen sein. Blickt man dann noch auf die gesellschaftliche Anerkennung, ist es damit auch nicht weit her: Von der Industrie wird sie als Artefakt für Kosmetik, Putz- und Haushaltsgeräte wahrgenommen und in der Werbung ist sie höchstens als kittelschürziges Muttchen beliebt. Doch ansonsten bewegt sie sich ohne Gehalt im geld- und somit wertfreien Raum, wie es scheint. Wie sagt der Volksmund: Was nichts kostet, ist nichts wert! Umso mehr ist hervorzuheben, dass es nun das Buch "If pigs could fly" in den deutschen Buchmarkt geschafft hat, das nicht nur von Hausfrauen verfasst wurde, sondern auch noch vom Hausfrauenalltag handelt. Welche Hausfrau kennt nicht die abschätzigen Blicke, die Fragen, wie wohl der jeweilige Tag ausgefüllt wurde, angesichts der Tatsache, dass hausfrau ja nur den ganzen Tag zu Hause sei. "Ja, ja, die Hausfrauen, die haben’s gut" knöpft sich etwa Gudrun Schilken eines der Klischees vor. In vielen einzelnen Erzählungen wird nun mit Vorurteilen gründlich aufgeräumt. Wer bisher noch nicht wusste, wie die Hausfrau einen solch "leeren Tag" herumbringt, wird sich die Augen reiben angesichts der Fülle der kleinen und großen Tätigkeiten, die eine Hausfrau im Laufe eines Tages erledigt. Und dies alles zum Wohle der Familie und ihrer Nächsten. Der männliche Hinweis von seiten Christian Nürnbergers ist sicherlich zu überdenken, dass alles etwas anders aussehen würde, "Wenn die Männer schwanger würden". Die Geschichten zeigen auf: ist hausfrau mal nicht da, wird die Geschirrspülmaschine schnell zum unbekannten Wesen. Nun ist die Hausfrau nicht nur die reine Haushaltsarbeiterin. Das Buch trägt dem Fakt Rechnung, dass die Hausfrau nicht nur EINEN Beruf ausübt, sondern viele. Die wichtigste Rolle ist sicherlich die der Mutter. Wobei der Text von Marie Theres Kroetz-Relin beweist, dass das Mutter-Tochter sein viele Facetten in sich trägt. Auch Louise Reuter merkt in ihrem humorvollen Beitrag an, dass es manchmal gar nicht so leicht auseinander zuhalten ist, ob die Mutter die Tochter, oder die Tochter die Mutter kontrolliert. Bei genauem Hinsehen umfasst das Wort "Hausfrau" nicht nur die Anfangssilbe Haus inklusive all seiner häuslichen Tätigkeiten, sondern auch die Endsilbe "Frau". Honni soit qui mal y pense, dass die Silbe Frau am Schluss und nicht am Anfang des Wortes steht. Denn oftmals fühlt sich die Hausfrau mit ihrem Frausein, ihrer Weiblichkeit völlig am Ende. Es scheint, sie hätte sich selbst mit dem Putzlappen ausgewrungen. "Denken mit den Eierstöcken" widmet sich diesem Aspekt und erinnert daran, dass Hausfrauen weibliche Wesen sind. Der/die LeserIn erfährt mit Anja Quattlender die Sehnsucht in den Fingernägeln, blickt in die Augen der Prinzessin (Martin Meggle) oder erfährt von "SAM-Die Waffe der Weiblichkeit" (Tina Wiegand). Aber auch das wichtige Thema "Gewalt in der Beziehung" wird angesprochen. Marie Theres Kroetz-Relin hat die Mails einer Betroffenen gesammelt und zusammengestellt. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die unterdrückte Weiblichkeit und das nicht ausgelebte Kreativpotential (das zweite Kapitel widmet sich dem Kreativpotential Hausfrau) potenzieren sich und führen zu der am Anfang zitierten alten Bekannten: der Einsamkeit. Das Finale hat die Ansätze eines dramatischen Höhepunktes, einer Katharsis. Was bleibt der Hausfrau noch im Alter? Wiederum nur die Einsamkeit und die Erinnerungen? Auch die Berichte um "Arasch hat Aids" stimmen traurig und nachdenklich: Im Pflegeheim, der Alptraum bekommt einen Namen und eine Geschichte. Ebenso die Zeilen der unbekannten alten Frau. Und zu allerletzt eine berührende Erzählung über Anerkennung und Liebe. Das wünschen sich alle, auch Hausfrauen. Von diesen letzten Eindrücken begleitet und gleichsam "gereinigt", schließt der Leser das Buch. Das gesamte Buch ist von Anfang an dramaturgisch wohl überlegt. Nach einem "Vorab" der Herausgeberin eröffnet das Ehepaar Marie Theres Kroetz-Relin und Franz Xaver Kroetz den Textreigen mit einem Dialog, der den Gründungsweg der Hausfrauenrevolution aufzeigt. Sie legt vor, er antwortet, die Ehefrau legt nochmals nach. Ihre Texte lavieren geschickt zwischen Überhöhung und entwaffnender Offenheit. Dieser Anfang zeigt, "If pigs could fly" ist eine Einladung an den Leser, seinen Verstand, sein Herz. Und nicht an seinen Geldbeutel, so wie Kritiker angesichts der Flut von Veröffentlichungen (Semi-)Prominenter gerne vielleicht vermuten möchten. Es ist der große Verdienst von Marie Theres Kroetz-Relin, dass sie es geschafft hat, die Herzen der Hausfrauen zu öffnen und sie zum Schreiben zu bewegen bzw. arrivierte AutorInnen für die Hausfrauenrevolution zu begeistern. Somit ist nicht nur ein lesenswertes Sammelsurium von Texten entstanden, die den Leser fesseln. Die Hausfrauen haben es auch geschafft, nicht mehr passiv zu bleiben, sich in der Hausfrauenrevolution zu wehren und ihre "Einsamkeit am Herd" zu durchbrechen. Dieses Buch ist ein Kleinod für alle, die in irgendeiner Form mit Hausfrauen und Haushalt zu tun haben. Und wer kann schon von sich behaupten, er hätte dies nicht? Zitat aus: Bettina von Arnim, Dies Buch gehört dem König, 1843 |
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