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Monika Gerstendörfer

Buchbesprechung
Marie Theres Kroetz Relin (Hrsg.):
If pigs could fly - Die Hausfrauenrevolution


Der Titel - If pigs could fly - klingt ungewöhnlich. Doch das Ungewöhnliche ist kompatibel zu der jungen, energiegeladenen Frau, die meist als Tochter von Maria Schell und Ehefrau von Franz Xaver Kroetz „abgestempelt“ und damit a priori erheblich unterschätzt wird.
Andererseits passt es! Denn die Herausgeberin und Mitautorin Marie Theres Kroetz Relin ist ja „nur“ eine Hausfrau... Zwar erhielt sie 1986 in noch zartem Alter bereits die Goldene Kamera als beste Nachwuchsschauspielerin, doch dann „tauchte sie ab“, um Kinder zu bekommen, Hausfrau, Ehefrau, Mutter zu sein. Genauer gesagt: Sie tauchte nicht wirklich ab. Aber ab da interessierte sich kein Schwein mehr für sie. Auf das Schwein kommen wir noch...

Vor einigen Jahren tauchte sie jedoch wieder auf! Und das Schwein – genauer: die Obersau – war sie selbst. Die Öffentlichkeit reagiert bis heute verwirrt auf das Symbol der Hausfrauenrevolution (es ist wirklich das Schwein!) und ihre Obersau. Und das ist auch gut so, denn das Borstenvieh an sich wird gemeinhin schwer unterschätzt...

Ende 2004, liegt uns ein Buch von ihr vor, das sich sehen lassen kann und gelesen werden sollte; ja, muss.
Zunächst erfahren wir darin etwas über die Ursprünge und die Geschichte der Hausfrauenrevolution. Die Idee dazu kam der Herausgeberin im Oktober 2001, als sie mit ihrem Mann im Bett lag und über das Hausfrauendasein diskutierte. Dazu gibt es eine nachdenklich stimmende Schlussfolgerung:
„Putze ich als Schauspielerin im Film realistisch das Klo, schmeißt man mir die Goldene Kamera nach, im wahren Leben dagegen ist diese Schweinearbeit eine Selbstverständlichkeit. Das ist ungerecht!“
Wie wahr.
Denn: „22 Millionen Hausfrauen in Deutschland, davon 15 Millionen „Nur-Hausfrauen“, bringen täglich als Multitalent die Ehefrau, Mutter, Geliebte, Muse, Putzfrau, Köchin, Seelsorgerin, Krankenschwester, Gärtnerin, Chauffeurin, Familienfeier-Veranstalterin, Erzieherin, Sekretärin, Ernährungsexpertin, Psychiaterin, Inneneinrichterin, Pädagogin, Vermittlungsagentin, Buchhalterin, Improvisationstalent, Lehrkraft unter einen Hut!“
Dabei sind die Zukunftsaussichten einer solchen „Managerin zum Nulltarif“ katastrophal. Vom fehlenden Gehalt, über eine erbärmliche Altersvorsorge - bis hin zu den kaum vorhandenen beruflichen Wiedereinstiegs-Chancen, dürfte sich kaum ein Manager motivieren lassen, auch nur einen Finger zu rühren.

Marie Theres Kroetz Relin, die zunächst keine Ahnung von Computern und Internet hat, lässt es mit der ersten Diskussion in den weichen Kissen des Ehebettes nicht auf sich beruhen. „Der Weg ist das Ziel“, sagt sie sich und startet durch. Zusammen mit Anja Quattlender, einer engagierten Computerfachfrau, gründet sie 2002 die Hausfrauenrevolution und die dazu gehörige Webseite, die sehr schnell zum Treffpunkt zahlreicher, unterschiedlichst gestrickter Frauen wird. Bald gesellen sich auch Hausmänner dazu!
Den Nutzen und die reale und virtuelle Vielfalt der Webseite – hausfrauenrevolution.com - zu beschreiben, würde den Rahmen sprengen, doch erwähnt werden muss, dass sie eben auch dazu diente, um Frauen zum Schreiben zu motivieren, um die Inhalte des vorliegenden Titels zu sammeln. Auch so kann man Technik nutzen.

“If pigs could fly” – ist ein Buch, das amüsiert, provoziert, nachdenklich stimmt und Mut macht. Je nachdem, welche Geschichte, welchen Kommentar oder welches Gedicht man gerade liest.
Über 30 Autor/innen im Alter von 16 bis 71 Jahren, darunter ganz berühmte wie Franz Xaver Kroetz, Lisa Fitz, Erich Fromm, Richard Rogler, aber auch völlig Unbekannte, schreiben mit hoher Authentizität zu Themen wie Einsamkeit, dem Kreativpotenzial Hausfrau, dem Aufbruch ins Ich, über die Definition Mutter, über das Denken mit den Eierstöcken und und.
Ebenso vielfältig wie die Auswahl der Autor/innen ist der Ton der Beiträge: Witzig oder humorvoll, kritisch und politisch, provokant, fordernd und trotzig, kreativ und philosophisch.

Doch man täusche sich bei allem Amusement nicht! Dieses Buch ist politisch! Deshalb sollte man es den Politker/innen auch auf den Tisch legen. Unbedingt.
„Und die Politiker? Sie reden viel und tun wenig. Sie nennen unsere Kinder das „Humankapital“ und machen sich lieber Sorgen über die Kinderlosigkeit, statt die Kinderarmut zu bekämpfen.“, schreibt die Herausgeberin. Und das ist längst noch nicht alles. Doch man/frau lese selbst!
Das Unmögliche möglich machen. Schweine fliegen lassen. Schweine fliegen sehen. Wenn Schweine doch nur fliegen könnten! Ja, bislang konnten Schweine noch nicht fliegen. Aber wenn die Hausfrauenrevolution und all ihre Mitstreiter/innen so weitermachen, werden die Biologiebücher umgeschrieben werden müssen...

Im „Schlusslicht“ gibt Marie Theres Kroetz Relin nochmals die Zielrichtung vor: „Zusammenhalten um zu verändern“. Also doch ein Ziel. Nun, der Weg ist ja längst beschritten

Dem Buch ist eine breite Leser/inschaft zu wünschen. Es ist im Grunde ein Titel, der längst überfällig war. Schließlich sollen sich wirkliche Menschen in wirklichen Büchern wiederfinden können. Und nicht – wie in letzter Zeit üblich – durch Banales, Geschmackloses, sinnfreies Gelabere und sonstigen, völlig unwichtigen Buchstabensalat von Bohlen & Co. noch mehr verblödet werden und sich jenseits aller Lebenswirklichkeit dann nicht mehr finden können.

„If pigs could fly“ eignet sich auch bestens als Geschenk. Das Buch ist sehr schön aufgemacht. Man kann es ohne Brille lesen; der Satzspiegel pappt nicht an den äußersten Rändern. Die Kurzweiligkeit des Inhaltes wird durch die Aufmachung wunderbar unterstrichen. Da hat sich der Verlag richtig Mühe gegeben. Mit 14,80 Euro ist dieses Buch wirklich nicht teuer.



Marie Theres Kroetz Relin (Hrsg.):
If pigs could fly - Die Hausfrauenrevolution
Kabel by Piper, München, 2004. Seiten 272, gebunden, Euro 14,90.
ISBN 3-8225-0657-5
http://www.piper.de/web/books/3822506575.html


Mehr von Monika Gerstendörfer:
www.gerstendoerfer.de
www.lobby-fuer-menschenrechte.de

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