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WOMAN- Interview mit Marie Theres Kroetz-Relin
von Elena Rudolph erschienen am 27.07.04 Heft Nr. 17


Woman: Frau Kroetz-Relin, warum haben Sie die Hausfrauenrevolution ins Leben gerufen?

Marie Theres Kroetz-Relin: Ganz einfach: Nachdem ich diesen Beruf bereits 17 Jahre gemacht hatte, ist mir mit 35 irgendwann klar geworden ist, dass ich in dieser Gesellschaft später überhaupt keine Möglichkeiten haben werde. Meine Rente wird sich nach dem heutigen Stand der Dinge auf 261 Euro belaufen… Ich frage Sie: Was soll ich damit im Alter denn anfangen? Ich finde das ungerecht! Denn ich habe ja mein Leben lang gearbeitet! Und wie!

Woman: Sie sagen, Hausfrauen seinen so etwas wie Managerinnen, die zum Nulltarif arbeiten. Multitalente, deren Leistungen aber niemand anerkennt…

Kroetz-Relin: So ist es doch. Als Hausfrau bin ich Ehefrau, Mutter, Geliebte, Muse, Putzfrau, Köchin, Seelsorgerin, Krankenschwester, Gärtnerin, Chauffeurin, Event-Veranstalterin, Erzieherin, Sekretärin, Ernährungsexpertin, Psychiaterin, Inneneinrichterin, Pädagogin, Vermittlungsagentin, Buchhalterin, Improvisationstalent, Lehrkraft und so weiter. Trotzdem sind meine Zukunftsaussichten als Hausfrau, als "Managerinnen zum Nulltarif", mager. Denn Hausfrauen haben eine äußerst dürftige Altersvorsorge, erhalten kein Gehalt, haben kaum Freizeit, einen 24-Stunden-Tag und ihre Chancen zum beruflichen Widereinstieg sind praktisch noch immer gleich Null.

Woman: Und dagegen begehren Sie mit der Hausfrauenrevolution auf?

Kroetz-Relin: Eigentlich habe ich zunächst einmal eine Plattform gesucht, um meine eigenen inneren Explosionen auszudrücken. Und ein Weg, das Kreativpotential, dass sich in mir all die Jahre lang aufgestaut hatte, raus zu lassen. Und meine Wut. Wissen Sie, wir leben in einer Welt, in der uns erst 1992 – und nicht etwa 1892! – auf der UN-Weltmenschenrechtskonferenz in Wien das erste Mal schriftlich bestätigt wurde, dass Frauen auch Menschen sind. Ich frage mich: Was waren wir vorher? Es kann doch nicht sein, dass sich noch vor zwölf Jahren Männer ernsthaft hingesetzt haben, um das festzuhalten. Das allein zeigt: Wir sind nicht gleich berechtigt. Das mit der Hausfrauenrevolution war anfangs trotzdem eigentlich nur als Gag gedacht, als mein ganz persönlicher Ausweg aus der Sprachlosigkeit. Und erst im Nachhinein ist daraus jetzt Ernst geworden…

Woman: Inwiefern?

Kroetz-Relin: Als wir vor eineinhalb Jahren mit unserer Homepage Hausfrauenrevolution.com online gegangen sind, haben wir nicht im Traum daran gedacht, dass wir einmal bis zu 10.000 Klicks pro Tag haben werden. Oder, dass es jetzt bei Piper ein Buch mit unseren Texten geben wird. Doch wir haben es geschafft, den Menschen eine Plattform zu geben, auf der sie sich wohl fühlen. Und dadurch öffnen sie sich, dadurch passiert immer mehr, dadurch bekommen wir immer mehr Mitglieder. Und deshalb hat die Hausfrauenrevolution auch so großen Erfolg.

Woman: Sie wollen mit der Hausfrauenrevolution also vor allem die Vernetzung der Hausfrauen, den Austausch von Informationen fördern?

Kroetz-Relin: Nein. Das ist eher ein unvorhergesehenes Ergebnis. Für mich ist zuallererst einmal immer der Weg das Ziel. Denn: Man weiß ja nie was kommt. Das, was jetzt alles passiert ist, damit habe ich weder gerechnet, noch hätte ich es planen können. Wenn es überhaupt ein bestimmtes Ziel gibt, dass ich mit der HFR verfolge, dann das, dass bei den Menschen eine Bewusstseinsveränderung eintritt. Vor allen Dingen bei den Hausfrauen selbst. Dass sie lernen, stolz auf das zu sein, was sie leisten. Denn sie müssen lernen, sich zu äußern! Und nicht immer nur Jammern! Sondern Handeln! Endlich sagen, was ihnen nicht passt. Selbst bewusst werden! Viele stecken doch heute schon den Kopf in den Sand, wenn sie gefragt werden, was sie arbeiten. Die trauen sich nicht zu sagen, dass sie "bloß" Hausfrau sind. Eben weil ihre Leistungen nach wie vor gesellschaftlich nicht im Mindestens anerkannt werden.

Woman: Was sollte die Politik für die Hausfrauen tun?

Kroetz-Relin: Ich will das eigentlich gar nicht auf die Politiker abwälzen. Ich hasse Leute, die immer nur etwas fordern, anstatt selber etwas zu tun. Ich glaube es ist viel sinnvoller, wenn die Frauen selber etwas gegen ihre Situation unternehmen. Wenn sie sich zusammentäten und endlich einmal sagen würden "Nee, so machen wir das nicht mehr!" dann könnten sie Vieles verändern. Oder indem sie sich selber gegenseitig mehr unterstützen, sich organisieren. Zum Beispiel in der Betreuung ihrer Kinder, beim Putzen, bei der Hausaufgabenhilfe. Irgendwann würden dann auch die Politiker nachziehen. Aber nein, jeder bröselt für sich allein hin. Jeder putzt sein Haus alleine, jeder holt seine Kinder einzeln von der Schule ab. Es gibt da keinen Zusammenhalt. Es gibt niemand, der sagt: "Moment mal, wir wollen eine Schule in der das Mittagsessen funktioniert!" Also machen wir das selbst. Das übernehmen wir. Wir müssen uns zusammenschließen und aufbegehren. Es reicht nicht, unzufrieden zu sein. Man muss seinen Unmut auch äußern. In Deutschland gibt es 22 Millionen Hausfrauen und Mütter. Immerhin 15 Millionen davon sind "nur" Hausfrau. Die melden sich aber nie zu Wort, haben kaum Rechte! Ich möchte, dass sie das Gefühl entwickeln: Wir sind wer. Und wir hätten eine irrsinnige Macht, wenn wir zusammenhalten!"

Woman: Hausfrauenrevolution heißt jetzt aber doch nicht etwa, dass Sie irgendwann auf die Straße gehen wollen, um zu demonstrieren?

Kroetz-Relin: Warum denn nicht? Das müssen wir aber halt erst einmal abwarten. Wer weiß, vielleicht machen wir das ja in zehn Jahren. Ich persönlich fände so einen richtig fetten Hausfrauenstreik super! In der Schweiz gab es mal einen Frauenstreiktag aufgrund der unterschiedlichen Schulschlusszeiten. Die wurden dann vereinheitlicht. Und so wurden eben auch die beruflichen Möglichkeiten für die Frauen verbessert. Ich glaube, wenn wir hierzulande auch wirklich einmal alle streiken würden, würde die ganze Wirtschaft flach liegen. Und es gebe in der Tat sehr viele Dinge, gegen die wir aufbegehren sollten. Warum haben die meisten der großen Konzerne immer noch keine Betriebskindergärten? Oder nehmen wir zum Beispiel die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel: Warum fahren Kinder hierzulande nicht kostenlos? Oder den völlig überteuerten Museumseintritt: Warum kosten Museumsbesuche für Kinder eigentlich Geld? Einen solchen Museumsausflug kann sich eine fünfköpfige Familie doch kaum noch leisten. Sicher: Ich bin eine privilegierte Hausfrau, mir geht es finanziell gut. Anderen aber nicht! Da muss was passieren! Aber für eine Revolution braucht man halt sehr viele Frauen. Das geht nicht von heute auf morgen. Da muss man schon realistisch sein.

Woman: Ist unsere Gesellschaft familienfeindlich?

Kroetz-Relin: Na, also, ich bitte Sie: Was denn sonst? Für Familien hat sich in den letzten Jahrzehnten eigentlich alles zum Schlechten verändert. Familien zahlen grundsätzlich drauf. Vom ganzen Versicherungssystem her, den immer höher werdenden Lebenshaltungskosten usw. Wer sich heute in unserer Gesellschaft dazu entscheidet, Kinder zu bekommen und großzuziehen, hat eigentlich nur Nachteile. Immer mehr Menschen weigern sich deshalb, Kinder zu bekommen. Und das ist für unsere Gesellschaft alles andere als förderlich. Das haben mittlerweile ja anscheinend auch schon die Politiker gemerkt. Allerdings reden die bedauerlicherweise schon lange nicht mehr über Kinder, sondern die sprechen von dem "Humankapital". Ein ganz besonders entzückendes Wort… Das muss man sich einmal vorstellen, das allein zeigt doch, welche Bedingungen wir hier in Deutschland für Kinder geschaffen haben. Es dauert ganz bestimmt nicht mehr langer, da nennen sie unsere Kinder das "Humanvermögen". Ich finde das erschreckend. Vor allem angesichts der Zahlen die wir in Deutschland haben. Wenn 2005 die Regelungen für das neue Arbeitslosengeld II in Kraft treten wird, dann wird jedes dritte Kind in Bremen zum Beispiel Sozialhilfeempfänger werden. Der Staat muss Familien besser unterstützen.

Woman: Wie zum Beispiel?

Kroetz-Relin: Nehmen wir mal das Erziehungsgeld. Das bekommen wir in Deutschland nur in den ersten Lebensjahren des Kindes. Später, wenn Kinder anfangen, richtig Geld zu kosten, wird man überhaupt nicht mehr unterstützt. Das ist doch Irrsinn! Und: Warum werden eigentlich nicht all die Jahre, die eine Hausfrau und Mutter für die Erziehung ihrer Kinder "opfert", für ihre Rentenanwartschaft angerechnet? Da muss sich was ändern.

Woman: Die jetzige Bundesregierung hat aber doch schon einiges getan. Immerhin hat das Bundesfamilienministerium zum Beispiel ja die Kinderbetreuungsplätze ausgebaut….

Kroetz-Relin: Ja, aber auch nur für die Betreuung von unter 3-Jährigen. Das ist doch lächerlich. Was ist mit den älteren Kindern? Warum wird unser Schulsystem nicht überarbeitet? Wann gibt’s endlich bundesweit verlässliche, einheitliche Schulschlusszeiten wie in Spanien?
Woman: …die ja für berufstätige Mütter so wichtig sind…

Kroetz-Relin: Ganz genau. Dass es in Deutschland keine ausreichend lange – vor allem aber – keine bezahlbare Kinderbetreuung gibt, ist eine Riesen-Katastrophe! Denn den wenigsten Familien reicht heute noch ein Einkommen. Viele Mütter würden deswegen ja wahnsinnig gerne arbeiten. Sie können aber nicht. Oder die Geschiedenen. Viele von denen wollen ja gerne raus aus der Abhängigkeit. Und für sich selbst sorgen. Fakt ist aber: Die meisten scheitern, weil sie keine Chance haben, ihre Kinder unterzubringen. Berufstätige Frauen, vor allem die Alleinerziehenden, sind mit Sicherheit die benachteiligsten Frauen in unserem Land. Das ist schlimm. Was das angeht, können und müssen wir noch viel von unseren europäischen Nachbarn lernen. Da gibt es allerhand Länder, die das besser im Griff haben als wir.

Woman: Haben in anderen Ländern auch die Hausfrauen bessere Bedingungen?

Kroetz-Relin: Na, klar. Ich habe zum Beispiel einen Pass "Kindereiche Familien", mit dem kann ich in Spanien Schulgebühren sparen und Flüge billiger bekommen. Aber auch in Belgien, Schweden, Dänemark sind Frauen wesentlich besser gestellt als hier. Die sind Vorreiter, was das Schulsystem betrifft, aber auch die Rente für Hausfrauen, die Versicherungen und so weiter. Im europäischen Vergleich ist die deutsche Hausfrau sehr benachteiligt.

Woman: Was sollte sich im Einzelnen unbedingt zum Wohle der Hausfrauen ändern?

Kroetz-Relin: Noch einmal: Das Wichtigste, was sich verändern muss, ist das Bewusstsein der Hausfrauen selber. Das möchten wir fördern. Man hat ja als Hausfrau immer das Gefühl, nicht mitreden zu können. Jetzt reden sie alle mit. Die Frauen haben begonnen, auf unseren Internetseiten über ihre Probleme zu schreiben. Ich finde, das ist ein guter Anfang.

Woman: …weil daraus bestenfalls mehr wird?

Kroetz-Relin: Genau. Bei uns können sich die Frauen über ihre Probleme, Nöte und Sorgen, aber auch über die schönen Dinge des Hausfrauendaseins austauschen. Sie haben sich dazu entschlossen, nicht mehr länger allein vor sich hinzudämmern. Sondern sie sind aufgewacht und im Begriff, sich zu organisieren. Unser Motto lautet: "Zusammenhalten, um zu verändern".

Woman: Und sie haben in der Tat auch schon begonnen, sich gegenseitig zu unterstützen…

Kroetz-Relin: Richtig. Zum Beispiel haben wir HFR-Patenschaften ins Leben gerufen. Begüterte Hausfrauen kümmern sich da um weniger begüterte Hausfrauen. Sozial stärker gestellte, um sozial schlechter Gestellte. Die eine schickt der anderen Lebensmittelpakete, wenn es ihr gerade dreckig geht. Oder sie hilft ihrem "Patenkind" dabei, die Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder zu beschaffen, die sie sich ansonsten nicht leisten könnte. Dabei geht es uns allen aber nicht allein ums Finanzielle. Sondern vor allem um die moralische Unterstützung, die wir einander gewähren. Sie ahnen ja gar nicht, was für Schicksale da auf uns einschwappen… Diese Frauen brauchen vor allem jemanden, der sie antreibt, der sie ermutigt, damit sie ihre Füße wieder auf den Boden kriegen. Für viele Frauen ist die HFR auch ein Weg aus der Vereinsamung geworden. Die haben heutzutage ja kaum Möglichkeiten, mit anderen in den Dialog zu kommen. In unserer Gesellschaft findet der ja so gut wie gar nicht mehr statt. Jetzt ist für viele unserer Chat zu so etwas wie eine "Kneipe im Schlafanzug" geworden. Da können auch die Mütter von ganz kleinen Kindern "hingehen", wenn sie abends endlich Zeit für sich haben, aber eben nicht vor die Tür können, weil sie sich ja nicht ständig einen Babysitter leisten können. Bei uns können sie mit anderen kommunizieren. Sich unterhalten. Miteinander Rumlachen. Diskutieren. Und voneinander lernen.

Woman: Wie geht es mit der Hausfrauenrevolution nun weiter? Wovon träumen Sie als nächstes?

Kroetz-Relin: Ich möchte natürlich immer mehr Frauen dazu bewegen, bei uns mitzumachen. Aber dafür kann ich eigentlich selbst gar nichts tun. So etwas muss von alleine wachsen. Aber ich träume schon… Zum Beispiel von einem Netz von HFR-Pflegemüttern und Leih-Omis, von Selbsthilfe-Putzteams, einer HFR-Second-Hand-Kleidervermittlung und sogar von "Revolutionshäusern", die als Zufluchtstätten für bedrohte Frauen fungieren können, nachdem jetzt ja leider immer mehr der bestehenden Frauenhäuser abgeschafft werden…

Woman: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Kroetz-Relin: Glückliche Zufriedenheit. Das wünsche ich uns allen.



Mit freundlicher Genehmigung von WOMAN - weitere Infos unter: www.woman-magazin.de