Marie Theres Kroetz Relin Ich glaub, ich hab was falsch gemacht! Manchmal denk ich, ich mach was falsch. Saß ich doch vor kurzem in Sachen Hausfrauenrevolution mit der niedersächsischen Familienministerin Ursula von der Leyen und ein paar anderen Gästen in einer Talkshow: da wurde, ach, so easy getalkt, wie einfach es wäre Karriere und Beruf unter einen Hut zubringen, in Frankreich Babies im Alter von drei Wochen in eine Krippe zu stecken, wenn die biologische Uhr tickt, als Zusatz- Bonbon für die Karriere, noch schnell ein Kind zubekommen, jede Frau die Möglichkeit hätte "arbeiten" zu gehen und so weiter und so fort. Als Höhepunkt sprach dann die werte Frau Ministerin vom "Humankapital" (wohlgemerkt dieses politische Unwort, kam aus dem Mund einer Mutter von 7 Kindern!) und endete mit dem wohlgemeinten Rat "Lasst uns die Kinder bekommen, alles Weitere regelt sich dann schon." Na klasse! Ich glaubte, ich säße im falschen Film! Oder mach ich etwas falsch? Diese Mamis schaffen es doch glatt mit einem Fuß im Erfolg zu stecken, mit dem anderen alles auf die Reihe zu bringen, mit der rechten Hand in den PC zu tippen, gleichzeitig am Telefon zuhängen, Termine zu vereinbaren und mit der Linken den Kochlöffel zu schwingen, auch die zärtliche Mutterliebe zu spenden und dreimal die Woche sogar den lieben Kleinen etwas vorzulesen! Ich muss doch irgendwas falsch machen? Kleiner Trost: ich bin nicht allein! 15 Millionen "Nur- Hausfrauen" in Deutschland stehen vor der genau gleichen Frage. Mein Arbeits-, pardon, Hausfrauenalltag, als Mutter von "nur" drei Kindern schaut nämlich ganz anders aus und meine Vorstellungen von Kindererziehung erst recht. Fangen wir doch mal von vorne an: Ich bin die Tochter einer echten Karrierefrau, um nicht Weltstar zu sagen und erblickte das Licht als meine Mutter im zarten Alter von 40 Jahren war. Für mich stand schon als Kind fest: erst die Karriere, dann ein Baby. Ich rechnete mühevoll an meinen zehn Fingern das Ergebnis aus: "Baby kann ich erst mit 40 bekommen! Also ist dann meine Mami 80, wenn sie Oma wird!" Dieser Gedanke rief in meinem kindlichen Hirn eine tiefe Besorgnis hervor, da ich ja zum größten Teil von meiner Großmutter erzogen wurde und diese durch ihre Erziehung mein künftiges Leben sehr beeinflusste. Ich wünschte mir, dass auch meine Kinder eine so tolle Großmutter haben würden, wenn ich, durch meine zukünftige Karriere zwangsläufig viel abwesend, meinen mütterlichen Busen nicht zur Verfügung stellen könnte. Wohlgemerkt, meine Mutter war wirklich eine gute Mutter. Wenn sie da war. Meine Liebe zu ihr ist unendlich. Bis auf den heutigen Tag hasse ich das Abschiednehmen und der Trennungsschmerz sitzt mir lang in den Knochen. Das Defizit in der Erziehung wurde mir erst bewusst als ich selber Kinder hatte, z.B. lernte ich erst mit 7 Jahren das Fahrrad fahren, so konnten es meine Kinder schon im Alter von 4. Mit 16 ging ich dann alleine - ohne Schulabschluss- nach Paris um die Schauspielerei zu erlernen. Wenn ich mir vorstelle, dass meine 15jährige Tochter in einem halben Jahr ohne Schulabschluss... lassen wir das. Kurz: Ich hatte reines Glück, dass ich mit 17 tatsächlich eine Karriere als Schauspielerin startete! Mit 21 lernte ich meinen Dichter kennen, wurde schwanger (zu blöd zum Verhüten), gab meine Karriere auf und war im hohen Alter von 28 Jahren dreifache Mutter (ganz nach dem Vorbild meiner Oma- nein, die hatte da schon 4): insgesamt 27 Monate schwanger, 4 1/2 Jahre Milchlieferant und 6 Jahre schon im Dauereinsatz. Karriere? Sorry, keine Zeit. Abgesehen davon bekam ich keine Filmangebote, denn eine Mutter von drei Kindern, ist nun mal für jeden Arbeitgeber ein Störfaktor. Mutter und Hausfrau zu sein bedeutet viel Arbeit. Das lernte ich schnell. Und es gab keine gesellschaftliche Annerkennung, auch das kapierte ich: Putzte ich im Film realistisch das Klo, schmiss man mir die Goldene Kamera nach, im Leben hingegen ist ein sauberes Klo eine Selbstverständlichkeit. Seit 16 Jahren bin ich nun als "Multitalent" Hausfrau im Einsatz. Die Ehefrau, Mutter, Geliebte, Muse, Putzfrau, Köchin, Managerin, Seelsorgerin, Krankenschwester, Gärtnerin, Chauffeurin, Veranstalterin von Familienfeiern, Erzieherin, Sekretärin, Ernährungsexpertin, Psychiaterin, Inneneinrichterin, Pädagogin, Vermittlungsagentin, Buchhalterin, Improvisationstalent, Lehrkraft, versuche ich täglich unter einen Hut zu bringen. Dank der unterschiedlichen Schulzeiten bin ich extrem flexibel und meine mütterlichen Führungsqualitäten zeichnen sich durch Geduld, Verständnis, Zeit im richtigen Moment haben und viel Liebe geben aus. Meine Zukunftsaussichten als "Managerin zum Nulltarif" sind trotzdem mager: dürftige Altersvorsorge, kein Gehalt, kaum Freizeit, 24-Stunden-Tag, beruflicher Wiedereinstieg gleich Null. "Wollen Sie nicht mal wieder arbeiten?" fragen mich die Leute. Hä? Klasse, ich mach doch was falsch! Und trotzdem bereue ich keinen Tag. Keine Karriere hätte mir das ersetzen können, was ich durch meine Familie an Leben inhalierte: Traumzeit Schwangerschaft, Urknall Geburt, Wunderwerk Kind, Liebesergänzung Familie, Fortsetzung und Weiterleitung meines Ich´s und einen Keller voll Erfahrungen. Aber ich hab leicht reden: ich bin privilegiert und kann mir Kinder leisten! Dank meines Mannes muss ich keine Schnäppchen jagen und brauche nicht meine Kinder vor dem Fernseher, dem "Babysitter Nr.1" abstellen, da ich ihnen z.B. eine Musikausbildung oder öfter mal gemeinsame Kinobesuche bieten kann! Und wie geht es den anderen? Armutsfalle Kinder heißt die Parole! Ein Alleinverdiener, der 2500 Euro brutto verdient und vier Kinder hat, also eine sechsköpfige Familie ernähren muss, kann angesichts der hohen Sozialausgaben und Lebenskosten praktisch nicht mit dem Geld auskommen! 3 Millionen Kinder leben in Deutschland in Armut. In den kommenden 2 Jahren fällt dank Arbeitslosengeld II jedes zehnte Kind in Deutschland unter die Armutsgrenze und hat etwa nur 150 Euro pro Monat zum Leben zur Verfügung. Aber Familienministerin Renate Schmidt hat die Lösung parat, mit der Frauen endlich wieder arbeiten gehen können: "Wir haben uns als Bundesregierung vorgenommen, gerade für die Betreuung der unter Drei-jährigen einen Anstoß zu geben und dafür zu sorgen, dass es hier vorwärts geht." Bingo! Ob allerdings die Dame an der Kasse von Aldi ihre Arbeit als Karriere bezeichnet und einen Krippenplatz ergattert bezweifle ich. Die lieben Politiker bekämpfen also nicht wirklich die Kinderarmut, sondern machen sich eher Sorgen über die Kinderlosigkeit! Wer soll denn auch die vielen Steuern bezahlen, wer unser Sozialsystem aufrechterhalten? Der Teufelskreis Kinderarmut zieht sich aber von der Geburt bis zum Kindergarten, über die Grundschule, kurz durchs ganze Leben. Die einen können sich mit Ihrem geringen Einkommen keine Kinder leisten und die Anderen, die studieren und sich weiterbilden auch nicht, denn sonst verlieren sie ihren Job. That´s life. Oder wir folgen dem Rat der von der Leyen: "Bay-Dax" einführen, "Humankapital" gebären und den Politkern, Wirtschaft, Arbeitgebern und der Gesellschaft mit unserem "Humanvermögen" kräftig auf die Pelle rücken! Ob sich dann etwas ändert? Mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Rundschau |
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