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Interview in Frankfurter Rundschau Magazin mit Marie Theres Kroetz Relin
von Mareen Linnartz
erschienen am 23.10.2004


Frau Kroetz-Relin, sind Sie gerne Hausfrau?

Ich bin gerne Hausfrau. Mittlerweile.

Mittlerweile?

Ich hätte auch gerne im Film weitergearbeitet, ich war ja Schauspielerin, aber Mutter von drei Kinder zu sein, ist ein Fulltimejob und Betreuungsmöglichkeiten fehlen in Deutschland. In der Filmbranche trauert dir keiner lange nach. Da hieß es nur noch: Die hat ein Kind gekriegt. Ende. Aus. Das wars dann.

Dass Sie aus einer berühmten Familie kommen, hat nicht geholfen?

Was soll mir das helfen? Ich muss doch durch meine Qualitäten überzeugen. Punkt. Aber ich habe eben auch mit Anfang 20 meinen Dramatiker kennen gelernt...

...Franz-Xaver Kroetz...

und ein Kind bekommen. Und mit 28 Jahren war ich dreifache Mutter. Du bist draußen mit drei Kindern! Ich kriege keine Angebote mehr, ich geb´s ehrlich zu. Aber was solls. Ich bereue nichts. Ich bin froh, meine Kinder so früh bekommen zu haben. Da ist man sorgloser, unbefangener. Meine Mutter war 40, als ich auf die Welt kam. Sie war ängstlich und wollte, dass immer jemand bei mir ist und mich auffängt, wenn ich hinfalle. Mit drei Jahren hatte ich den Reflex verlernt, mich mit den Händen abzustützen. Und ich bin auch froh, zu Hause geblieben zu sein. Meine Mutter war berufstätig, meine Großmutter, meine geliebte „O-Mutti“, hat mich aufgezogen. Berufstätig sein hieß bei meiner Mutter, zwei bis drei Monate am Stück weg zu sein. Als ich klein war, dachte ich, das ist eben so. Bis ich kapiert habe: Das muss überhaupt nicht so sein.

Es hat also mit Ihrer Biografie zu tun, dass Sie sich so bewusst dafür entschieden haben, nicht nur Mutter, sondern auch Hausfrau zu sein?

Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich liebe meine Mutter über alles. Meine Mutter war eben ein Weltstar. Sie konnte sich gar nicht so viel Zeit für uns nehmen, wie sie vielleicht gewollt hätte. Und wenn wir dann vielleicht einmal zusammen auf das Oktoberfest gefahren sind, dann konnte ich zwar vor lauter Freikarten soviel Karussell fahren, wie ich wollte, aber meine Mutter musste Autogrammkarten schreiben. Ich aber bin ein Muttertier. Ich bin es von der ersten Minute an gewesen und bin froh, dass ich das Heranwachsen meiner Kinder so hautnah miterleben durfte. Der Unterschied zwischen einer berufstätigen Frau und einer Hausfrau, ist halt die Zeit. Aber viele Frauen hier in Deutschland müssen außer Haus arbeiten, nur schon allein aus finanziellen Gründen. So auch meine Mutter. Bloß die Dame an der Kasse von Aldi würde ihre Arbeit wohl kaum als „Karriere“ bezeichnen.

Komplett scheinen Sie sich in Ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau trotzdem nicht wohl zu fühlen. Sie haben vor zwei Jahren die Hausfrauenrevolution ausgerufen. Gegen was begehren Sie auf?

Ich wollte die Sprachlosigkeit durchbrechen und den Mut zur Kreativität fördern. Anhand der Resonanz auf meiner Internetseite sehe ich: Ich habe in ein Wespennest gestochen. In mir hatte sich damals so eine Wut aufgestaut. Ich mache seit 17 Jahren diese Arbeit, werde aber von der Gesellschaft nicht wahrgenommen. Keine Sau interessiert das. Ich werde, wenn ich Glück habe, 281 Euro Rente beziehen, obwohl ich drei Kinder großgezogen habe. Bedenklich, dass dabei nur drei Jahre Kinderziehung auf die Rente angerechnet werden. Ich kenne eine Frau, die wollte ihrem Mann zum Geburtstag einen schönen Schreibtisch schenken, und das ging nicht, weil man ihr nicht erlaubte, ihn auf Raten abzuzahlen. Der Laden hat ihr keinen Kredit gewährt! Geht nicht. Wir haben ja kein Einkommen. Wir kriegen nicht nur keine Anerkennung, wir werden auch noch wie unmündige Kinder behandelt. Es gibt 15 Millionen Hausfrauen in Deutschland, Frauen, die ausschließlich diesen Beruf ausüben, aber sie hatten keine Lobby.

Wie wollen Sie das ändern? Die Hausfrauenpartei gründen?

Politiker reden viel und tun wenig und nennen unser Kinder „Humankapital“. Nein Danke. Ich will die Frauen bewegen. Zum Beispiel durch einen
richtig fetten Streik. Aber eine Hausfrau macht noch keine Revolution. Wir können jetzt nicht groß zur Demo aufrufen und dann kommen nur fünf „magere“ Hausfrauen. Das ist lächerlich, das funktioniert nicht. Nein, ich stelle mir das so vor: Eine Woche, nein noch besser zwei Wochen, komplett die Arbeit verweigern. Und es sich dann zwei Wochen lang richtig gut gehen lassen, tanzen, lachen, das Kreativpotenzial ausleben. Liegt erstmal unsere Arbeit brach, würden Politiker, Wirtschaft, Arbeitgeber und Gesellschaft, ganz schnell mit uns reden. Aber ich will nicht nur fordern. Ich möchte auch endlich diese Sprachlosigkeit unter den Frauen aufbrechen. Mein Motto: Zusammenhalten um zu verändern. Einander helfen. Warum stehen immer massig Mütter am Kindergarten und holen ihre Kinder ab? Warum kann man das nicht zusammen organisieren? Morgen du, morgen die? Raus aus der Vereinsamung am Herd. Ich könnte mir auch vorstellen, „Revolutionshäuser“ zu gründen, Anlaufstationen, wo von Kinderbetreuung bis zu Kochkursen bis zur Hausaufgabenhilfe alles angeboten wird, auf größtenteils ehrenamtliche Basis. Vielleicht erklärt sich auch die eine oder andere Leihomi bereit, zu helfen und die Mütter zu entlasten.

Noch einmal zur Hausfrauenrevolution: Müsste die eigentlich nicht viel radikaler sein, als zwei Wochen lang zu tanzen?

Die Hausfrauenrevolution ist radikal in ihrem kleinen Rahmen und hat schon viel bewegt in ihrem Umfeld, zum Beispiel durch die HFR-Patenschaft.

Sie wollen ein paar Anlaufstationen gründen, in denen wieder hauptsächlich Frauen arbeiten. Das ändert nichts an der Situation. Frauen müssen sich in Deutschland wie in kaum einem anderen westeuropäischen Land zwischen Kind und Karriere entscheiden. Und sie haben Männer, die in einer Umfrage erst vor kurzem zu 77 Prozent angaben, ein Kleinkind leide, wenn die Mutter berufstätig ist. Man müsste doch gegen dieses Weltbild angehen.

Die Frauen haben in Deutschland leider keine Wahl zu entscheiden!
Die einen können sich mit Ihrem geringen Einkommen keine Kinder leisten und die Anderen, die studieren und sich weiterbilden auch nicht, denn sonst verlieren sie ihren Job. Kinderarmut, ja mittlerweile schon Massenarmut ist angesagt. Unsere Politiker bekämpfen also nicht
die Kinderarmut, sondern machen sich eher Sorgen über die Kinderlosigkeit! Das ist die Deutsche Realität. Und würden sich Frauen, in diesen Zeiten gegenseitig unterstützen, würde es wenigstens
unser Bewusstsein verändern. Augen auf und handeln, statt Augen zu und weiterpennen!
Ich will überhaupt nicht in eine emanzipatorische Richtung gehen, ich denke, dafür sind Frau und Mann auch zu verschieden. Ich selbst hätte meine Kinder auch nicht nach drei Monaten in die Krippe gesteckt. Man verpasst einfach in den ersten Jahren zu viel. Die entwickeln sich so schnell, so schnell kann man gar nicht gucken. Und die brauchen dich auch. Aber ich bin eben privilegiert, kann mir das leisten so zu denken. Mir geht es auch um das Image der Hausfrau – und das ist in Deutschland gruselig: Das verhärmte gelangweilte Hausmütterchen im Kittel, das praktisch schon mit dem Putzlumpen in der Hand aufwacht... Neulich habe ich eine Werbung für ein Allergiespray für Polstermöbel gesehen. Da hüpfte eine Hausfrau juchzend und jauchzend um ihre Sofas und Sessel herum und schnüffelte mit großer Begeisterung daran. Ich fand das so was von erniedrigend. Dagegen in den südlichen Ländern: Da schuften die Mütter zwar auch zu Hause wie Schweine, aber sie sind „La Mamma“. Die sind etwas. Die sind heilig. Die sind das Zentrum der Familie. Die behandelt man mit Respekt.

Frau Kroetz-Relin, Sie entwerfen ein konservatives Familienbild: Der Mann als Versorger, die Frau, die für die Erziehung zuständig ist und den Haushalt führt. Laufen Feministinnen nicht Sturm gegen Ihre Ansichten?

Wie bitte, „konservativ“? Dann haben Sie aber weder meine Texte, noch in unserem Buch gelesen! Ist es denn für Sie wirklich konservativ, wenn ich zu meinem Beruf, meinem Mann und meinen Kinder stehe? Sie bestätigen mir mit dieser Frage nur, dass selbst in der FR ein Umdenken beginnen sollte.

Und ich denke, wir treten nicht in Konkurrenz mit Feministinnen. Was Alice Schwarzer für die Rechte der Frauen getan hat, kann man ihr nicht hoch genug anrechnen! Ihr gebührt mein vollster Respekt! Nur was Kindeserziehung oder die Vereinbarkeit von Kind und Karriere betrifft, da können diese Frauen oft gar nicht wirklich mitreden. Sie haben nämlich selbst meist keine Kinder. Wenn ich für die Frauen die gleichen Rechte wie für die Männer durchsetzen will, dann ist das wichtig. Aber vielleicht fange ich irgendwann an mich der Männerwelt anzupassen (und dabei denke ich eher an Politikerinnen) und gebe meine Weiblichkeit auf und als Mutter geht das nicht. Als Mutter fühlst und denkst du ganz anders, weil du gebärst und stillst. Ein biologischer „Vorsprung“ verpflichtet zu viel Verantwortung. Viele Politiker wissen deswegen ja auch überhaupt nicht, worüber sie reden, wenn sie über Kinder reden, deshalb auch der geläufige Begriff „Humankapital“.

Wenn Männer und Frauen schon verschieden sind – welchen Part spielt dann der Mann in der Hausfrauenrevolution?

Ich sage es Ihnen ehrlich: Hausmänner werden von der Gesellschaft schon gar nicht anerkannt. Die sind tatsächlich arme Schweine! Deshalb bin ich froh, über jeden Hausmann der bei uns mitmischt. Diese Vorurteile müssen gekippt werden. Ist ja auch ’ne Form von Gleichberechtigung, gell?
Die Männer müssen natürlich auch zur Eigenverantwortung herangezogen werden. Die „klassische“ Aufgabenverteilung, „Du Kohle ranschaffen, ich Haushalt, putzen, kochen, einkaufen und den ganzen Schulkram“ muss von beiden Seiten nicht als selbstverständlich hingenommen werden! Mein Mann war immer da für seine Kinder, aber gewisse Dinge hatte er nicht gemacht.

Und jetzt, wo Sie dagegen aufbegehren?

Jetzt hat sich auch bei ihm was geändert. Der kocht jetzt! Und fragt mich nach den Rezepten! Das ist Wahnsinn. Ich kann mittlerweile beruhigt wegfahren. Mein Gott, früher habe ich da vorgekocht und Pläne geschrieben und mir den Kopf zerbrochen. Aber natürlich sind wir Frauen auch blöd. Ich weiß nicht, ist es der Hormonspiegel, wir wollen immer die Gute sein und immer alles schaffen, wir denken, wir könnten alles besser, die Kinder ins Bett bringen, kochen, was weiß ich. Aber wir vergessen dabei leider eines: Uns selbst. Und ich ärgere mich heute manchmal, dass ich meinen Mann nicht einfach auch habe machen lassen. Die verhungern nicht, wenn ich mal weg bin.

Inzwischen sind Sie recht häufig im Dienste der Hausfrauenrevolution unterwegs, treten in Talkshows auf, nehmen an Diskussionsrunden teil. Würde man Sie auch einladen, wenn Sie aus einer weniger berühmten Familie kämen?

Ganz klar, wenn Lieschen Müller gesagt hätte: Ich mag nicht mehr, ewig dieses Putzen, ich starte eine Hausfrauenrevolution – das hätte niemanden interessiert. Und ich bin jung, ich widerspreche dem angestaubten Bild von der verhärmten Hausfrau. Diese Mischung interessiert die Medien. Auf der anderen Seite sollte man nicht verschweigen, dass Prominenz auch manchmal seine Nachteile hat. Es passiert mir heute noch, dass mich Leute ansprechen: Sie sind doch die..? Die wissen nicht mal genau, wie ich heiße, aber sie wissen, ich bin die Tochter von Maria Schell. Und dann geht es schon los : „Mei, die gleiche Stimme wie die Mama, und mei, das gleiche Lächeln...“

Haben Sie unter der Prominenz Ihrer Mutter gelitten?

Natürlich. Aber sehr. Lehrer haben mir Arbeiten hingelegt und gesagt: Und so wirst du es auch nicht als Tochter „von“schaffen. Die Menschen sind ja leider immer sehr beeinflussbar. Wenn meine Mutter aufgetaucht ist in der Schule, wenn sie da durchgewedelt ist, dann sind alle vor ihr auf dem Bauch gekrochen, und kaum war sie weg, habe ich eins aufs Dach bekommen. Ich habe die Schule mit 16 abgebrochen, ohne Abschluss, und bin nach Paris gegangen. Mit 17 war ich bereits voll berufstätig.

Maria Schell lebt heute auf einer Alm in Kärnten. Ihr Onkel Maximilian Schell hat einen erfolgreichen Film über sie gedreht, „Meine Schwester Maria“, der den ehemaligen Weltstar in einem traurigen Zustand zeigt. Was empfinden Sie, wenn Sie den Film sehen?

Ich möchte mich nicht weiter dazu äußern, das ist die Angelegenheit meines Onkels. Es ist ein Film über seine Schwester, nicht über meine Mutter. Für mich aber lebt meine Mutter in einem Dämmerzustand, in einer „anderen Welt“. Sie hat mir in einem lichten Moment diese Welt als sehr schön beschrieben, das beruhigt mich.

Gibt es etwas, was Sie Ihr noch gerne sagen möchten?

Ich habe vor nicht langer Zeit ein langes Gespräch mit ihr geführt, und vielleicht werde ich das einmal veröffentlichen. Ansonsten? Ich habe Angst, Abschied zu nehmen. Ich hasse bis heute, Abschied zu nehmen. Aber jeder Abschied ist auch ein Neuanfang.


INTERVIEW: MAREEN LINNARTZ

Das Buch zur Revolution ist soeben erschienen:
Marie Theres Kroetz-Relin (Hg):
„If pigs could fly“ Die Hausfrauenrevolution
Piper Verlag 2004
240 Seiten
14,90 Euro


Mit freundlicher Genehmigung Frankfurter Rundschau Magazin