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Marie Theres Kroetz Relin stellt sich Frage und Antwort

Ein Interview mit mir selbst

erschienen am 15.09.05 in Neue Revue


Marie Theres Kroetz-Relin (39) und ihr Ehemann, der Dramatiker Franz Xaver Kroetz (59), wollen nach 18 gemeinsamen Jahren und 13 Jahren Ehe getrennte Wege gehen – die Scheidung ist eingereicht!
"Meine Frau hat über ihre Anwältin beim Familiengericht Traunstein den Scheidungsantrag eingereicht", sagte Franz Xaver Kroetz (59) der Münchner "Abendzeitung", vergangene Woche.
"Ich bin noch auf der Suche nach einem Scheidungsanwalt, finde aber den Schritt meiner Frau grundsätzlich richtig."

Unsere Autorin M.Th. Kroetz Relin, konnte die dreifache Mutter auf Teneriffa ausfindig machen. Lesen hierzu das Gespräch:

M.Th.: Wieso plötzliche die Scheidung?

Marie Theres: Sag mal, ich dachte wenigstens Du könntest intelligentere Fragen stellen! Scheidungen kommen nie plötzlich! Vielleicht für die Öffentlichkeit, aber nicht für mich. Jede Trennung ist ein langwieriger Prozess. Auch mein Mann hat gelegentlich von Trennung gesprochen, nun habe ich es eben in die Tat umgesetzt.

M.Th.: Seit wann lief denn dieser „Prozess“?

Marie Theres: Du bist ganz schön vergesslich. Du weißt doch, dass ich vor drei Jahren ein seelisches Tief durchlebt habe. Ich wurde krank, bekam eine Lungenembolie und musste meine Schilddrüsenüberfunktion behandeln lassen. Zu dieser Zeit suchte ich dringend Veränderung. Stell Dir vor, Dein Kreativ-Potenzial blubbert in einem Schnellkochtopf, der auf dem Herd steht, vor sich hin kocht und kein Ventil hat. Da muss es irgendwann „Bumm“ machen - Dein Körper zieht die Handbremse an.

M.Th.: Soll das heißen, die Ehe hat Dich krank gemacht?

Marie Theres (lacht): Aber nein! Es war meine eigene Unzufriedenheit! Und der Umstand, dass wir Hausfrauen magere Zukunftsaussichten haben. Mir wurde einfach klar, dass ich weder finanziell unabhängig, noch fürs Alter abgesichert bin und meine Berufwiedereinstiegschancen gleich Null sind. Als mir das bewusst wurde, habe ich mein Leben selbst in die Hand genommen.

M.Th.: ...und hast Deine Homepage www.Hausfrauenrevolution.com erfunden. Was hat das genau für Auswirkungen auf dich gehabt?

Marie Theres: Ich habe mir aus dem Nichts einen Beruf „erschrieben“ und eine Bewegung ins Leben gerufen. Ich bin dadurch unabhängig geworden, da ich als Buchautorin und Journalistin arbeite.

M.Th.: Heißt das, Revolutionen fordern Konsequenzen?

Marie Theres: In gewisser Weise, ja. Ich habe meine Mann mit 21 kennen gelernt und sehr viel vom ihm gelernt. Für mich sind Beziehungen Lernzeiten, jeder hat die Chance sich weiterzuentwickeln. Diese Chance haben wir intensiv genützt. 18 Jahre mal 24 Stunden am Tag. Und wir haben drei wunderbare Kinder bekommen.
Mit vielen Erfahrungen im Gepäck wollen wir nun beide eigene Wege gehen. Wobei der gemeinsame Weg, also unsere Kinder, ja erhalten bleibt, denn sie sollen weder ihren Vater noch ihre Mutter vermissen.

M.Th.: Das klingt so, als ob Du Deinen Mann noch lieben würdest?!

Marie Theres: Stimmt, tu ich auch. 18 Jahre kann man ja nicht einfach auf den Müll schmeißen.
Aber was das Zusammenleben betrifft, so sind wir uns beruflich gegenseitig immer mehr auf die Füße getreten. Ich möchte nun meine eigenen Erfahrungen machen und wenn es sein muss, auch eigene Fehler. Aber die Trennung tut uns gut: er beginnt wieder zu schreiben und auch auf mich kommen neue Aufgaben zu.

M.Th.: Du möchtest eigene Fehler machen? Wie meinst Du das?

Kroetz Relin: Sagen wir mal so: Ich habe und hatte immer sehr große Persönlichkeiten an meiner Seite beziehungsweise in meiner Familie. Als „Schattengewächs“ ist es nicht so leicht, den eigenen kreativen Weg ans Licht zu finden. Oder glaubst Du es ist einfach, als Dichtersgattin ein Buch zu schreiben? Deswegen möchte ich auch eine klare Linie ziehen. Jetzt hab ich noch die Chance. In zehn Jahren vielleicht nicht mehr.

M.Th.: Spielt der Altersunterschied dabei eine Rolle?

Marie Theres: 20 Jahre sind natürlich ein Vorsprung an Erfahrungen und kaum einholbar. Mein Mann hat mich in sehr entscheidenden Jahren durchs Leben geführt. In dieser Zeit bin ich gewachsen in meiner Aufgabe als Mutter und Hausfrau. Mein Job war die Kindererziehung, Haushalt und ihm den Rücken freizuhalten. Irgendwann merkte ich: kann er nicht schreiben, litt ich mit ihm mit. Konnte er schreiben, bangte und hoffte ich mit ihm mit. Hatte er keinen Erfolg, litt ich erst recht mit ihm mit, wenn nicht sogar mehr. Hatte er aber Erfolg, dann war es sein Erfolg und ich freute mich. Aber es war nicht meine Leistung. Seitdem ich selbst schreibe, weiß ich wenigstens warum ich leide und freu mich narrisch, wenn ich Erfolg habe, denn nun ist es meine eigene Leistung.

M.Th.: Du bist aus dem Haus im Chiemgau ausgezogen. Wie war das für Dich?

Marie Theres: Es ist ein ganz neues und schönes Gefühl, eigene vier Wände zuhaben!

M.Th.: Hat der Tod Deiner Mutter Deine Entscheidung beeinflusst?

Marie Theres: Ja. Ich stand am offenen Grab, da veränderte sich meine Lebenssichtweise komplett: Bis dahin stand ich am Sandkasten und schaufelte viele kleine Löffelchen Leben in meine Förmchen. „Backe, Backe Kuchen“ - ganz selbstverständlich. Ich sammelte ein buntes Leben, mit Sonnenschein und Regen und klopfte mit meinem „Energie-Schäufelchen“ auf den Sand. Am 30. April, als mich endgültig von meiner Mutter verabschieden musste, nahm ich die Form und kippte sie um: mein „Lebenskuchen“ stand vor mir. Der Inhalt war der gleiche geblieben, aber der Blick darauf ein anderer geworden.
Mir wurde klar, dass gar nichts „selbstverständlich“ ist. Und dass ich die nächste Mutter sein werde, die stirbt. Jetzt musste ich handeln.


M.Th.: Aber nicht jede Hausfrau kann sich einfach so trennen, oder?

Marie Theres: Eben. Ich hab es geschafft, aber die meisten Hausfrauen können gar nicht zu ihrem Mann sagen: ich verlasse dich. Denn eine Scheidung würde sie zum Sozialfall machen. Das ist ungerecht! Kein Wunder, wenn Frauen sich weigern, Kinder zu bekommen.
(Pause)
Sag mal, bist Du jetzt endlich fertig mit Deiner Fragerei? Ich muss jetzt nämlich kochen...

M.Th.: Nur noch eine Frage: Warum machst Du ein Interview mit Dir selbst?

Marie Theres: Ganz einfach, damit ich mir meine Anwältin leisten kann.

M.Th.: Upps, und danke fürs Gespräch.




Mit freundlicher Genehmigung von Neue Revue