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Petra Grond
Passauer Neue Presse vom 27.08.03

Die Revolution geht vom Chiemsee aus. Eigentlich hat sie dort schon im November begonnen; klein und eher unauffällig, wie das bei Revolutionen manchmal der Fall ist. Zwei Seiten stellte Marie Theres (37) am 21. November 2002 ins Internet, und eine Kurzgeschichte. Schon nahm die Hausfrauenrevolution ihren Lauf.

Sie lachen? Wahrscheinlich amüsieren Sie sich noch mehr, wenn Sie lesen, dass Marie Theres bis vor gut einem Jahr überhaupt noch nie etwas mit Computern zu tun hatte. Erst als sie wegen einer Schilddrüsenoperation ins Krankenhaus musste, ging sie die Sache mit dem Internet an, um ihren in langen Hausfrauen-Jahren gehegten Traum von einer weltweiten Vernetzung der missachteten Küche-Kinder-Kirche-Feen Wirklichkeit werden zu lassen. Also lachen Sie nicht zu früh: Marie Theres ist eine resolute Frau. „In zehn Jahren sind wir bestimmt auf der Straße“, prophezeit sie. Schon heute finden sich unter der Adresse www.hausfrauenrevolution.com über 120 Seiten, verfasst von rund 180 mehr oder weniger festen Autorinnen - und Autoren. Es geht - wie könnte es anders sein - um Frauen, um Kinder, um Männer, und auch Rezepte fehlen nicht. Aber es geht auch um Medizinisches und Kultur. „Allein was ich auf homöopathischem Gebiet mittlerweile weiß, ist enorm. Man kann doch nicht dauernd zum Arzt rennen“, sagt die dreifache Mutter. Angelika, eine ehemalige Drogenabhängige, erzählt ihre Geschichte, und Susan-Barbara stellt ihre Forschungen über „Kultur und Frau in der Frühgeschichte“ vor.

Dreh- und Angelpunkt der Hausfrauenrevolution aber ist der gegenseitige Austausch. Für viele sind die HFR-Seiten inzwischen zur „Kneipe im Schlafanzug“ geworden: „Entspannend, man ist unter Seinesgleichen, und man muss nicht aus dem Haus gehen und die Kinder allein lassen“, beschreibt Marie Theres die Vorzüge. Genauso hatte sie sich das vorgestellt: Mädchen und Frauen zwischen acht und 63 Jahren tauschen sich aus, helfen sich, entdecken, was - außer dem „Hausfrauengen“ („Eine Frau hat das im Gefühl“) - in ihnen steckt. Manche brauchen einen kleinen Schubs, bevor sie sich an mehr heranwagen, als ihnen der Alltag abverlangt. All die schüchternen, g’schamigen, zaudernden Autorinnen ermuntert Marie Theres immer wieder: „Traut euch mal! Wir unterdrücken uns doch selbst. Dabei hat jede einzelne von uns Erfahrungswerte, die ganz besonders und wichtig auch für andere sind.“

Das Lachen verwandelt sich vollends, mal in Staunen, mal in Empörung, je länger man Marie Theres zuhört: Mit kaum zu bremsender Verve und erheblicher Sachkenntnis erregt sie sich über die vielen Ungereimtheiten eines Hausfrauenlebens und über die familienfeindlichen Gegebenheiten unserer Gesellschaft: Etwa darüber, dass eine S-Bahn-Karte für sie und die drei Kinder mehr kostet, als einen ganzen Tag in der teuersten Tiefgarage Münchens zu parken. „In Wien fahren Kinder bis 15 Jahren frei.“ Dass in Deutschland eine Hackbrett-Stunde so viel kostet, „dass man mehreren Kindern gar nicht die Ausbildungschancen geben kann, die sie verdienen“, während der Musiklehrer in Spanien für 12 Euro gleich dreimal in der Woche vorbeischaut. Über das Bild der Frau im deutschen Werbefernsehen: „Da gibt es die Powerfrau, die mit dem kleinen Aktenköfferchen ihr Spiegelbild im Schaufenster bewundert, oder das Dummchen, das zum Kochen die Hilfe eines Kochstudios braucht, oder dem Meister Proper - natürlich ein Mann - sogar noch sagen muss, wie man richtig putzt.“

Zu schimpfen gibt es reichlich, „aber wir sind keine Frustpage und auch nicht feministisch“, beugt Marie Theres nahe liegenden Assoziationen vor. Statt Frust setzt sie auf Austausch und Aufklärung. „Zusammenhalten, um zu verändern“ heißt ihr Motto. Und Feministinnen und Karrierefrauen sind der Powerfrau sowieso ein Dorn im Auge. „Es ist in den letzten Jahrzehnten viel erreicht worden für Frauen, die beruflich aktiv sein und vorwärts kommen wollen, aber für Haufrauen hat sich so gut wie nichts verändert.“ Eine Versicherung, die auch eine angemessene Rente für Familienmütter zahlt, ist deshalb nur eines von vielen Zielen, die der 37-Jährigen vorschweben. „Unser Gesellschaftssystem kracht zusammen, wenn Frauen keine Kinder mehr kriegen“, warnt sie angesichts einer Geburtenrate von nur noch 1,3 Kindern pro Frau und verweist auf Schweden. Auch dort war jungen Leuten in den 70er Jahren die Lust auf Familie mehr und mehr vergangen. Die Politik reagierte mit familienfreundlichen Maßnahmen, und die Vermehrung der Schweden florierte wieder.

Da Marie Theres aber nach eigenem Bekunden „nicht viel von Parteien“ hält, setzt sie lieber auf die Kräfte jeder einzelnen. Ein Netz von Pflegemüttern und Leih-Omis kann sie sich vorstellen, Putzteams, Second-Hand-Kleidervermittlung und sogar „Revolutionshäuser“ - Zufluchtstätten für bedrohte Frauen, ähnlich den bestehenden Frauenhäusern. Dabei liegt ihr nichts ferner, als grundsätzlich den Männern den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben. „Es gibt ganz tolle Männer, gerade in der jüngeren Generation, die sehr gut auch eine Waschmaschine bedienen können. Und es gibt richtig widerliche Frauen, die beispielsweise dem Vater das Kind wegnehmen“, rückt sie Klischees zurecht. Deshalb gilt die Revolution ebenso gut allen Hausmännern: „Deren Ruf ist ja noch schlechter als der der Hausfrau. Die tun mir wirklich leid.“

Wenn man Marie Theres’ engagierten Plädoyers für die 22 Millionen in Deutschland lebenden Hausfrauen und Mütter zuhört, vergisst man leicht, dass sie selber zu den sieben Millionen (O-Ton) „privilegierten Hausfrauen“ gehört, also denen, die zudem noch einen Beruf ausüben. Marie Theres ist Filmschauspielerin und hat nach zwölf Jahren Familienpause - Josephine Alma Maria, Magdalena Anna Marie und Ferdinand Franz Valentin sind inzwischen 14, elf und acht Jahre alt - im vergangenen Jahr zum ersten Mal wieder vor der Kamera gestanden. Aus dem „Filmsetsightseeingurlaub“, wie sie das nennt, könnte bald wieder mehr werden. Der Ehemann macht’s möglich . . .

Denn Marie Theres ist auch noch aus einem anderen Grund privilegiert. Auch wenn sie das ohne Nachfrage nie durchklingen lässt: Sie ist nämlich auch eine „von“. Nein, keine adlige Society-Lady. Aber Marie Theres ist Tochter der Schauspielerin Maria Schell und des Regisseurs Veit Relin, sie ist Nichte des Schauspielers Maximilian Schell und - als sei dies noch nicht Hypothek genug - sie ist Ehefrau des Autors und Schauspielers Franz Xaver Kroetz. Der verfolgt die Aktivitäten seiner Gattin nach außen murrend, aber offenbar auch nicht ohne Anerkennung. Immerhin hat er ihr für ihre Revolution im Netz einige deftig-motzerte, aber durchaus selbstkritische Kurzgeschichten geschenkt. Und Marie Theres bedankt sich mit ihrem breit strahlenden Lächeln und dem Kompliment: „Er übernimmt die Familienarbeit, wenn ich unterwegs bin. Ein toller Schritt für einen nicht ganz jugendlichen Mann aus Bayern!“